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Blutschande

Titel: Blutschande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Therese Philpsen
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hoch und dann über den Flur. Es ist die dritte Tür rechts. Ich hole in der Zwischenzeit meinen Mann.«
    Per Rolands Schritte waren auf dem dicken, weißen Teppich oben auf dem Flur kaum zu hören. An den Wänden hingen gerahmte Bilder von Cecilie: Cecilie als Baby, Cecilie als Kleinkind, Cecilie jetzt.
    Als er in ihr Zimmer trat, dachte er zuerst an ein Museum. Alte Puppen, ein Puppenwagen, ein alter Teddybär und ein altes, weiß gestrichenes hölzernes Puppenhaus. Alles war hell und weiß. Die Bücher standen mit geraden Rücken sorgsam ausgerichtet im Regal, und auf dem Boden waren noch die Spuren des Staubsaugers zu sehen. Das Zimmer schien sorgsam gereinigt worden zu sein, es lag nicht ein Papierschnipsel oder ein Kleidungsstück am Boden, ganz anders als er es von seiner Tochter kannte, wenn sie bei ihm das Wochenende verbrachte. Bestimmten hier die Eltern, wie es in ihrem Zimmer auszusehen hatte? War Cecilie nicht bereits in einem Alter, in dem man sich Plakate seiner Teenageridole an die Wände heftete, statt einen geknüpften Teppich mit in der Sonne grasenden Kühen? Nur ein einziges Plakat, das Cecilie selbst zeigte, wie sie sich lächelnd ein Mikrophon vor den Mund hielt, schmückte die Wand. Per Roland spürte ein leichtes Ziehen im Bauch.
    Sie hatte doch alles.
    Dann begann er nach etwas zu suchen, was sich von all dem anderen unterschied, aber alles war so unangenehm stimmig, poliert und blank, dass der Raum richtig unbewohnt wirkte. Wie diese sauberkeitsfixierte Mutter jemals ein Kleinkind gehabt haben konnte, das herumschmierte, sich erbrach, lärmte und Unordnung verbreitete, war ihm ein Rätsel. Ihm fiel nur ein einziges Wort ein, mit dem er diesen Raum beschreiben konnte: steril. Es gab keine Verstecke, keinen Platz für Geheimnisse. Es schien so, als gehörte Cecilie nicht wirklich hierher. Als wäre dieses Zimmer nur ein Alibi. Roland sah sich um und versuchte witternd die Seele des Raums zu erfassen. Ein Seele, die allem Anschein nach einen ungleichen Kampf gegen den Staubsauger und das Ajaxspray der Mutter geführt hatte. Aber er konnte nichts spüren, keine Wärme, keine Persönlichkeit. Was hatte das zu bedeuten?
    Per Roland versuchte seinen Kopf von sämtlichen Vor-urteilen zu leeren und ließ alles in sich sacken: Cecilies perfektes Leben und ihre heile Familie, ihre Musik, keine Geschwister, Freunde, das unpersönliche Zimmer.
    Seine Hände begannen zu suchen. Er tastete die Unterseite des Schreibtisches ab, auf dem der geschlossene Laptop stand, durchsuchte Schubladen und Schränke und kroch unters Bett. Er untersuchte die Hohlräume in den Bettpfosten, nahm den Spiegel von der Wand und warf einen Blick dahinter. Er fuhr mit den Fingern über die Bücher, blickte dahinter und entdeckte plötzlich eine kleine Unstimmigkeit. Fünf der Bücher standen falsch herum!
    In diesem perfekten Zimmer?
    Im gleichen Augenblick betrat Anne Grethe Junge-Larsen den Raum, gefolgt von einem großen, schlanken Mann, der ein Handy in einer Hand hielt. Mit der anderen begrüßte er Per Roland.
    »Michael Junge-Larsen.«
    »Per Roland.«
    »Sie müssen entschuldigen, aber die verschiedensten Fernsehsender, Radiosender und Zeitungen bombardieren uns nur so mit Telefonaten. Und wir reagieren auch darauf. Wir hoffen ja, so viele Menschen wie nur möglich zu erreichen. Irgendjemand muss Cecilie doch gesehen haben.«
    Er zuckte mit den Schultern. Seine Augen waren müde.
    »Sie tun, was Sie können«, sagte Roland und versuchte zu lächeln. »Und das ist gut so.«
    Michael Junge-Larsen rang seinem von Trauer gezeichneten Gesicht ein Lächeln ab.
    »Sie wollten etwas über die drei Ausländer wissen, die wir am Sonntag im Hafen getroffen haben?«
    Der Mann wirkte etwas aufgedreht, wie jemand, der ein Aufputschmittel genommen hatte. Vermutlich war das aber bloß die Folge von Kaffee und zu wenig Schlaf. Sein Hemd steckte ohne eine einzige Falte im Hosenbund, und die dunklen Haare waren sorgsam nach hinten gekämmt. Michael Junge-Larsen knetete die Hand seiner Frau und küsste sie auf die Stirn. Gut, dass sie einander hatten, dachte Per Roland.
    »Können Sie mir ein bisschen mehr darüber sagen? Worüber haben Sie gesprochen?«
    Michael Junge-Larsen legte den Arm um seine Frau.
    »Sie haben sich für unser Boot interessiert.«
    Er sah seine Frau an, die bestätigend nickte.
    »Es gefiel ihnen, und sie wollten wissen, was es gekostet hatte, ob das Deck aus Teak war, und ob es GPS und Windmesser oder andere Extras

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