Blutschande
kleine Jungs. Er ist es nicht«, fuhr sie fort.
»Also ein reines Bauchgefühl?«
»Nenn es, wie du willst. Tatsache ist, dass wir nichts gegen ihn in der Hand haben. Er hat ab etwa fünf nach acht ein Alibi. Aber er ist randvoll, weshalb wir ihn erst einmal in der Ausnüchterungszelle einquartiert haben, aber morgen früh darf er gehen. Ich denke, diese Spur können wir vergessen«, sagte sie und legte auf.
Per Roland starrte auf sein Handy und drückte die Wiederwahltaste. Vielleicht war die Leitung ja nur unterbrochen worden, dachte er.
»Waren wir nicht fertig?«, fragte Liv, als sie das Gespräch annahm.
»Nicht ganz«, brummte Roland etwas verwirrt. »Könnte er Cecile nicht gekidnappt haben, bevor er ins Pflegeheim gefahren ist?«
»Er hat sie nicht gekidnappt. Wir haben diese Spur abgehakt.«
»Ich hab sie noch nicht abgehakt. Überzeuge mich davon, dass er sie nicht entführt hat, als er auf dem Weg zu seiner Mutter war.«
»Er war mit dem Fahrrad unterwegs, und es stimmt, er ist ihr entgegengefahren, aber diese Strecke dauert nur ein paar Minuten. Außerdem hätte er sie in der kurzen Zeitspanne, bevor er im Altersheim auftauchte, ja auch noch beiseiteschaffen müssen. Und dass er im Altenheim war, ist uns bestätigt worden. Überdies war er besoffen. Das Personal hätte ihn am liebsten wieder nach Hause geschickt. Nein, dieser Mann ist wirklich total neben der Spur, ich halte es für ausgeschlossen, dass er ein solches Verbrechen begehen und seine Spuren dabei so gut verwischen kann, wie das hier der Fall ist.«
Roland nickte und fühlte sich überzeugt.
Liv schwieg eine Sekunde.
»Gibt es sonst noch etwas?«, fragte sie.
»Ich habe mit den Eltern gesprochen«, antwortete er.
»Und?«
»Sie haben nicht viel gesagt, womit man weiterarbeiten könnte. Sie beantworten alle Fragen bereitwillig, aber Neues haben sie nicht gesagt. Die Osteuropäer scheinen sich in erster Linie für das Boot der Familie interessiert zu haben, aber das kann natürlich Tarnung gewesen sein. Um sie auszuspionieren. Ich habe den Hundeführer herbestellt, der kommt gerade an«, sagte er und winkte ihn zu sich.
»Um auch im Haus nach Spuren zu suchen«, fuhr er fort, während der Hundeführer das Tier aus dem Auto ließ. Der Hund wedelte mit dem Schwanz und lief fröhlich herum, bevor er sich gehorsam neben das linke Bein seines Herrchens setzte.
»Wenn der Täter im Haus war, werde ich das herausbekommen. Es ist bei solchen Fällen nicht ungewöhnlich, dass die Täter ihre Opfer über lange Zeit ausspionieren. Du weißt schon, die Familienroutinen und so weiter. Vielleicht hat er vor ihrem Haus gestanden, vielleicht war er drinnen? Es kann auch ein Freund der Familie sein, das wäre alles andere als ungewöhnlich. Andererseits stinkt das ganze Haus so verflucht nach Ajax, dass ich mir gar nicht sicher bin, ob da noch was zu finden ist. Das ist immer so. Wenn du mich fragst, machen die Menschen viel zu viel sauber.«
Roland machte eine Pause.
»Sonst noch etwas?«
»Schultheiss hat uns einen Hinweis auf Erik Adelskov gegeben. Adelskov ist Junge-Larsens Nachbar, wenn ich das richtig in Erinnerung habe. Erik ist der Sohn des Hauses. Ich war mit ihm zusammen in der Grundschule. Ein richtiger Oberklassensnob. Wir werden ihn uns gleich vornehmen.«
»Worum geht es?«
»Das wollte er nicht sagen, aber vielleicht kennen sie sich ja aus dem Milieu. Er hat nur gesagt, dass wir ein bisschen näher unter die Lupe nehmen sollten, was Adelskov so macht.«
»Hm, ich kümmere mich darum«, sagte Per Roland. »Wenn ich schon mal hier bin. Danke.«
»Was ist mit den Polen?«, fragte sie.
»Das waren Tschechen. Ich habe mit den Schweden gesprochen und mit Europol. Die schicken uns alles, was sie haben. Sonst noch was?«
»Im Moment nicht.«
Roland steckte das Handy in die Tasche und erklärte dem Hundeführer, wonach er im Haus der Junge-Larsens suchen sollte. Dann machte er sich auf zum Nachbarn.
Für Per Roland, der seine ganze Jugend in Albertslund verbracht hatte, um danach den Großteil seines Erwachsenenlebens in Ballerup zu wohnen, war das Haus der Familie Adelskov – eine ältere Villa aus roten Ziegeln – fast ein Schloss.
Er klingelte am schmiedeeisernen Tor mit dem Familienmonogramm und wurde schließlich von einer etwas widerwillig klingenden, älteren Frauenstimme hereingebeten. Als das Tor sich langsam geöffnet hatte und er über die schmucke Einfahrt gegangen war, kam er zu einer derart riesigen Tür, das ihm
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