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Blutschande

Titel: Blutschande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Therese Philpsen
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Polizei«, fuhr Ole fort. »Wir wissen, dass Sie da drin sind. Wir wollen Ihnen nichts tun, nur mit Ihnen reden. Können Sie sich kurz zu erkennen geben?«
    »Lars, hier draußen sind nur Ole und ich. Ich heiße Liv. Wir wollen Ihnen helfen. Sie haben doch nach uns gefragt?«
    »Ich baller dem Mädchen den Kopf weg, wenn Sie reinkommen«, kam es plötzlich von drinnen. Die Verzweiflung in der zitternden Stimme war nicht zu überhören.
    »Es muss doch überhaupt niemand verletzt werden, Lars. Genau das wollen wir doch vermeiden. Die Schweden haben allerdings ihr Sondereinsatzkommando gerufen, und die werden bald hier sein. Wenn Sie nicht jetzt mit uns reden, Lars, ist es nur eine Frage der Zeit, bis Ihr Blut an den Wänden der Fähre klebt«, rief Ole.
    Liv starrte ihren Partner an, doch der zuckte nur mit den Schultern. Ole hatte seine eigenen Methoden.
    »Wir müssen nur wissen, dass es dem Mädchen gut geht«, rief sie dann. »Dürfen wir reinkommen und einen Blick auf sie werfen?«
    Ein Klicken war zu hören, dann wurde die Klinke von innen langsam nach unten gedrückt, und die Tür öffnete sich einen Spaltbreit.
    »Unbewaffnet!«, kam es.
    »Lass mich«, flüsterte Ole und nahm das Schulterhalfter ab, steckte sich die Waffe aber am Rücken unter seinen Gürtel.
    »Was hast du vor?«, flüsterte Liv. »Ole, mach keinen Blödsinn!«
    »Vertrau mir!«, sagte er nur und warf ihr einen Blick zu, den sie inzwischen nur zu gut kannte. Sie konnte nichts tun.
    Ole legte seine Hand an die Klinke, und Liv hörte ihn tief durchatmen. Dann trat er ein.
    Sie selbst drückte den Kopf an die Wand und lauschte.
    Drinnen hörte sie Ole verhandeln. Die Stimmen klangen gereizt. Ein Drogenabhängiger, dachte Liv, als sie den Mann um einen Schuss Heroin als Gegenleistung für das Mädchen bitten hörte. Sie holte tief Luft, atmete in den Bauch, um sich selbst zu beruhigen. Drogenabhängige waren die Schlimmsten, sie waren vollkommen unberechenbar.
    Es wurde kurz still, dann drangen plötzlich laute Stimmen heraus. Erst war der Kidnapper zu hören, dann Ole und schließlich das Mädchen.
    Livs Herz schlug ihr bis zum Hals. Verdammt, was ging da drin vor?
    Im gleichen Moment zerriss das Knallen eines Schusses die Luft, und ihr Herz stand still.
    Keine Sekunde später drehte sie sich um, sprang zur Seite und trat die Tür auf, so dass sie mit voller Wucht aufflog. Eine Gestalt kam zum Vorschein. Ein Augenpaar, das sie kannte. Sie hatte diese Augen irgendwo in Helsingør gesehen, wusste aber nicht, wo. Ein abgesägtes Jagdgewehr zielte auf sie. Und die Hände seines Besitzers zitterten.
    Liv schoss, ohne zu zögern. Der Mann schrie auf, und das Gewehr fiel ihm aus den Händen, als er nach hinten stolperte und schließlich auf den Rücken fiel, wo er mit weit aufgerissenen Augen keuchend liegenblieb.
    »Danke«, flüsterte er und sah Liv in die Augen, als sie das Gewehr sicherte. Als freute er sich, dass alles zu Ende war, als freute er sich zu sterben.
    Nur dumm für dich, dass man nicht von einem Schuss in die Schulter stirbt.
    Sie sah sich hastig um. Das Mädchen hockte zusammengekauert neben der Toilette am Boden. Es hatte beide Arme um seinen Kopf gelegt, als wollte es nicht mehr sehen und hören, was ringsum vorging. Liv steckte die Pistole zurück ins Halfter und ging zu Ole. Er lag am Boden, sah sie an und versuchte zu lächeln. Blut sickerte aus einer Wunde in seinem rechten Arm und färbte das Li-noleum rot.
    »Das wird schon wieder, Ole«, sagte Liv und kümmerte sich weiter um das Mädchen, während die schwedischen Kollegen in die Toilette stürmten und im Hintergrund Sirenen zu hören waren.
    »Ja, verdammt«, kam es angestrengt von Ole. »Ist ja nur Schrot und bloß im Arm, so leicht wird man mich nicht los!«
    Liv hockte sich vor dem Mädchen hin, während sich die Männer in den gelben Uniformen um Ole kümmerten.
    »Hallo! Wer bist du?«
    Sie versuchte zu lächeln, so gut es ging, reichte ihr die Hand, und das kleine Mädchen blickte auf. Sie zögerte lange und sah Liv misstrauisch an. Schließlich nahm das Mädchen aber doch ihre Hand und stand auf.
    »Du bist nicht Cecilie«, sagte Liv.
    Das Mädchen schüttelte den Kopf.
    »Nein, ich heiße Camille.«
    »Bist du alleine hier, Camille?«
    Das Mädchen schüttelte den Kopf, so dass ihr Pferdeschwanz hin und her baumelte.
    »Wo sind deine Eltern?«
    »Das ist mein Vater«, sagte sie und zeigte auf den Mann, den Liv angeschossen hatte.
    Liv konnte nichts dagegen machen.

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