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Blutschande

Titel: Blutschande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Therese Philpsen
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Westjütländisch:
    »Wieder ein Mädchen? 4300 Gramm?«
    Mit einem Mal geriet alles ins Stocken. Der Bauer gab seinen Kampf gegen Roland auf, der Hund ließ Max Motors Bein los, Miroslav stand auf, die Waffe noch immer in der Hand, und Lange Lind betrat langsam die Bühne und stellte sich in die Türöffnung. Ja, Liv hatte beinahe den Eindruck, als hielte sogar der Wind für einen Moment den Atem an.
    Alle Blicke waren auf Svendsen gerichtet, der sein Gespräch beendete und das Telefon zurück in seine Jackentasche gleiten ließ. Er sah irgendwie wie glücklich und zufrieden aus, wie ein Weihnachtsmann, der mit seiner roten Nase zu lange im Kalten gestanden ist. Seine dünnen, lockigen Haare standen wirr vom Kopf ab, und er fuhr sich mit der Hand über den Mund, als wollte er sich Bierschaum aus dem Bart wischen.
    »Tja, da bin ich wohl wieder Großvater geworden«, sagte er mit breitem, zufriedenem Grinsen.
    Niemand sagte etwas. Alle starrten Carsten wie versteinert an. Schließlich war es der Bauer, der Roland stehen ließ, in seinen riesigen, schwarzen Holzschuhen durch den Matsch auf Svendsen zuging, ihm die Hand reichte und lauthals sagte:
    »Herzlichen Glückwunsch.«
    Zum Dank nahm dieser den laut protestierenden Alten fest.
    Nur Henrik Frandsen lag noch immer stöhnend und strampelnd im Schlamm. Er versuchte etwas zu sagen, aber Liv drückte ihm noch immer das Knie in den Rücken und hielt ihn am Boden. Sie sah zu Max hinüber, der sich noch immer unter Schmerzen wand. Dann ergriff sie das Wort:
    »Henrik Frandsen. Heute ist Mittwoch, der 18. September, es ist 18.12 Uhr. Ich nehme Sie unter dem Verdacht fest, Cecilie Junge-Larsen ermordet zu haben. Alles, was Sie jetzt sagen, kann und wird gegen Sie verwendet werden …«

16
     
    Keiner der Anwesenden im Besprechungszimmer des Präsidiums in Helsingør zweifelte mehr daran, dass der gute Tycho Brahe irgendwo da oben in den Wolken hockte und sich über sie amüsierte. Carsten Svendsen war das in diesem Moment aber egal. Er hielt das Handy in der Hand und sah sich die Bilder an, die ihm seine Tochter nur wenige Minuten nach der Geburt geschickt hatte. Anette, die für heißen Tee und Kaffee gesorgt hatte, sah ihm über die Schulter.
    »Oh, ist die süß!«, jubelte sie, während Svendsen zufrieden nickte.
    Per Roland saß am Ende des Tisches und sah gefasst aus, während er die Misere des Abends zusammenfasste:
    Ein verhafteter Reitschulleiter, der darauf wartete, verhört zu werden. Ein verhafteter, schießwütiger Bauer, der sie unten bei den Arrestzellen zum Wahnsinn trieb. Ein verbotener, höchst gestörter Pitbullterrier, den sie nirgends unterbringen konnten, weil niemand ihn haben wollte, so dass er bis auf Weiteres an einen Heizkörper gebunden worden war. Ein verletzter Kommissar, der mit einer Bisswunde ins Krankenhaus gebracht worden war, ein niesender, hoch aufgeschossener Kommissar der Kriminaltechnik mit beginnender Halsentzündung, ein zutiefst beleidigter, enttäuschter Star unter den Sternchen und eine lokale Polizeikommissarin, die bald jeglichen Respekt vor ihren Kollegen verloren hatte. Und nicht zu vergessen: ein frischgebackener Großvater und ein über die Maßen müder Ermittlungsleiter, der im Moment nicht einmal ansatzweise wusste, ob er sie ausschimpfen oder ihnen allen Beifall klatschen sollte.
    Carsten Svendsen sah Roland an.
    »Ja, also, entschuldige bitte, das war mein Fehler«, sagte er dann. »Ich dachte wirklich, ich hätte es ausgemacht. Ich spendiere dafür abends mal eine Runde.«
    Roland hob die Hand, um ihm zu signalisieren, dass er nicht weiterzureden brauchte.
    »Geschehen ist geschehen«, sagte er. »Wir haben unseren Mann ja gekriegt.«
    Dann fasste er einen Entschluss.
    »Liv, du kommst mit mir.«
    Henrik Frandsens Ausstrahlung war wirklich unangenehm, dachte Liv, als sie vor ihm saß. Nicht wegen seines Äußeren, sondern wegen der Tatsache, dass er vor seinem Haus im Schlamm gelegen hatte, während sechs Polizisten versucht hatten, ihn, seinen Hund und seinen Vermieter festzunehmen. Seine Haare waren nass und verklebt und seine Kleider bis zum Bauch feucht und schlammig. Auch im Gesicht hatte er braune Schlammspritzer, die langsam zu trocknen begannen. Er war ein großer, hagerer Kerl mit braunen Augen und hellen Strähnen in den halblangen Haaren. Die Hände steckten noch immer in den Handschellen hinter dem Rücken.
    »Ich habe nichts damit zu tun«, sagte er mit ruhiger Stimme, als er erneut über seine Rechte

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