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Blutschnee

Blutschnee

Titel: Blutschnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Box
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rätselhaft waren. Er lebte allein, richtete Raubvögel zur Jagd ab und besaß eine gewaltige Pistole. Er war gefürchtet, und man redete über ihn, doch von seinem Auftreten einmal abgesehen, konnte niemand sagen, warum. Er war einfach jemand, der sofort verdächtig wirkte.
    »Das ist erst der Anfang«, wurde Melinda Strickland gegen Ende des Artikels zitiert. »Die regierungsfeindliche Bewegung, die zum tragischen Mord an Lamar Gardiner geführt hat, gibt es noch immer. Mr. Romanowski war nur einer ihrer Soldaten. Die Untersuchung dauert an; meine Arbeitsgruppe wird weiter ermitteln.«
    Joe war darüber ebenso beunruhigt wie damals, als sie zuerst davon gesprochen hatte. Sofern er die Augen nicht hartnäckig vor der Wirklichkeit verschlossen hatte – und das mochte ja sein –, konnte er die »regierungsfeindliche« Bedrohung nicht erkennen, von der Strickland so überzeugt zu sein schien. Zwar gab es Jäger, Holzfäller, Rinderzüchter und nun offenbar auch gesetzlose Falkner, die sich einigen Prinzipien der US-Forstverwaltung widersetzten, doch soweit Joe Pickett wusste, taten sie das nicht gewalttätig und erst recht nicht organisiert. Er fragte sich, ob Melinda Strickland einer Arbeitsgruppe des Bundes vorstehen mochte, die noch nach ihrer Arbeit suchte. Und er war gespannt, wie lange sie im Twelve Sleep County bleiben würde.

10
    Das Erste, was Joe sah, als er sich dem Zeltplatz am Battle Mountain näherte, war der Stacheldraht, der durch den Wald gezogen und um Baumstämme geschlungen war. Auf Schildern, von denen zwei über die allgegenwärtigen dunkelbraunen Tafeln der Forstverwaltung genagelt waren, die den Zeltplatz als solchen auswiesen, stand handschriftlich in groben Blockbuchstaben zu lesen:
    NATION DER SOUVERÄNEN BÜRGER
DER ROCKY MOUNTAINS.
UNBEFUGTES BETRETEN WIRD BESTRAFT.
    Die Souveränen Bürger, die sich »die Souveränen« nannten, hatten den alten Zeltplatz im Wald mit ihren Campingwagen, Wohnmobilen und Klappcaravans buchstäblich in Besitz genommen. Durch den Schnee getrampelte Wege wanden sich von Tür zu Tür, und Kleidung und Ausrüstung hingen an Seilen zwischen den Stämmen; außerdem gab es Querbalken, an denen Müll baumelte, vielleicht aber auch erlegtes Wild aufgehängt wurde. In der Mitte des Lagers waren Stangen für ein Tipi zusammengebunden worden, doch noch waren keine Leinwände oder Häute daran befestigt. Für Joe sah das Lager der Souveränen wie ein mit Mitteln des 21. Jahrhunderts errichtetes Winterlager der Prärieindianer aus. Die Zufahrt zum Zeltplatz war durch ein Stacheldrahttor blockiert, dessen orangefarbene Bänder es weithin sichtbar machten.
    Joe stoppte vor dem Tor, blieb im leerlaufenden Pick-up sitzen und beschloss, das Lager nur auf Einladung zu betreten.
    Zwei Männer in Thermo-Overalls, die an den Stangen des
Tipis arbeiteten, hielten inne und musterten Joe. Der eine nahm eine Axt und legte sie sich auf die Schulter. Der andere ging zum nächsten und größten Wohnwagen und klopfte vernehmlich an die Seitenwand.
    Es waren nur diese zwei Souveränen zu sehen, doch Joe war sich gewiss, dass weitere ihn beobachteten. Zwar war der Platz bis auf einige große Bäume kahl, doch links und rechts ragte der Wald dicht und dunkel auf, und Wege führten hinein.
    Joe überlegte, zurückzusetzen und wegzufahren, da er nun einen Blick auf das Lager geworfen hatte. Den fehlenden Reifenspuren zufolge war er der erste Besucher seit dem Schneepflug. Sein Herz pochte. Wie üblich hatte er keine Verstärkung dabei, und nur Marybeth wusste, wo er war. Doch da die beiden Männer ihn weiter musterten und er sein Ziel noch nicht erreicht hatte, holte er tief Luft, wappnete sich innerlich, öffnete langsam die Wagentür und stieg aus. Der Schnee knirschte unter seinen Stiefeln. Obwohl das Lager ausgestorben zu sein schien, bemerkte Joe das Zischen der Propantanks, die die Wohnwagen versorgten, und die Dampf – und Rauchwolken, die sich aus den Schornsteinen kräuselten. Und es roch nach einem Braten, der süßer als Rind oder Huhn war. Hier wurde Wild zubereitet – Pronghornantilope oder Wapiti.
    Joe wollte die Männer schon fragen, wo ihr Anführer war, doch das unverwechselbare Geräusch, mit dem eine Schrotflinte durchgeladen wird, ließ ihn zögern.
    »Brauchen Sie Hilfe, Mister?«
    Joe wandte sich dem Geräusch und der Stimme zu. Jemand stand hinter einer Barrikade aus gefällten Nadelbäumen und aufgehäuftem Schnee. Metall schimmerte matt zwischen immergrünen Ästen,

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