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Blutschnee

Blutschnee

Titel: Blutschnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Box
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freiwillig hier und kommen und gehen, wie sie wollen. Sie verfolgen ihre eigenen geschäftlichen und persönlichen Interessen. Und wenn sie in einem Streit um das Sorgerecht stecken, geht das weder mich noch die Übrigen hier etwas an.«
    »Sorgerecht?«, wiederholte Joe. Ihm wurde bang.
    »Jeannie ist im Moment nicht hier«, fuhr Brockius fort und schüttelte den wolligen Kopf. »Ich weiß nicht, wann sie zurückkehrt. Aber ich sage ihr, dass Sie hier waren.«
    Joe dankte ihm und beobachtete, wie der alte Mann zu seinem Wohnwagen zurückstapfte.
    Er hörte sein Herz in den Ohren pochen. Binnen Minuten hatten ihn zwei harte Schläge getroffen: die Erklärung, wer diese Leute waren; und die Neuigkeit, dass Jeannie Keeley wegen April zurückgekehrt war.

    Auf dem Rückweg war Joe froh über die Schneewälle links und rechts, weil er sonst vermutlich im Graben gelandet wäre.
    War es wirklich möglich, dass die Überlebenden einiger der schlimmsten Ereignisse der amerikanischen Geschichte – ob nun Kriminelle, Helfershelfer, Sympathisanten oder Opfer – sich zusammengetan und beschlossen hatten, in seinen Bergen ein Lager aufzuschlagen? Oder dass eine von ihnen, Jeannie Keeley nämlich, hier war, um April zurückzuholen?

    Das alles war zu viel, und es kam zu schnell. Plötzlich klingelte sein Handy.
    »Hier ist Nate Romanowski«, sagte die Stimme etwas schleppend und auch leicht sarkastisch. »Ich darf einmal telefonieren, und ich habe Sie angerufen, Kumpel. Können wir uns treffen?«
    »Warum rufen Sie keinen Anwalt an?«, fragte Joe verblüfft.
    »Weil ich Sie anrufe«, erwiderte Romanowski und klang verärgert. »Ich habe zwei Tage darüber nachgedacht und rufe jetzt Sie an, Mister.«
    »Das ist lächerlich.«
    »Natürlich«, pflichtete Romanowski ihm bei. Joe nahm an, er meinte die Beschuldigungen, die gegen ihn erhoben wurden. »Ich erwarte Sie und sage alle anderen Termine ab.«
    »Sagen Sie – «
    Aber Romanowski hatte aufgelegt.

    Kurz darauf klingelte es erneut.
    Joe griff hastig nach seinem Handy.
    »Bitte bleiben Sie dran – Melinda Strickland meldet sich sofort«, befahl ihm eine weibliche Stimme.
    »Woher haben Sie meine Nummer?« Joe wusste, dass er sie Strickland nicht gegeben hatte.
    »Bitte bleiben Sie dran – Melinda Strickland meldet sich sofort.« Joe blieb am Apparat, doch Ärger stieg in ihm auf. Er hörte ein Klicken, als die Verbindung hergestellt wurde.
    »Äh, Joe, warum ruft Nate Romanowski bei Ihnen an?« Stricklands Stimme klang zum Zerreißen angespannt.
    »Da bin ich mir nicht sicher«, gab er zurück. »Aber woher wissen Sie von dem Anruf? Und woher haben Sie meine Handynummer?«

    »Ich mag es nicht, wenn man mich in solchen Dingen im Dunkeln lässt«, sagte sie eisig, ohne auf seine Frage einzugehen.
    Joe war verwirrt.
    »Er hat eben erst angerufen. Vor wenigen Minuten. Und warum hätte ich Ihnen das überhaupt berichten sollen?«
    »Weil ich diese Untersuchung leite, Joe Pickett. Ein Mann wurde ermordet, wissen Sie.« Ihre Stimme triefte vor Sarkasmus. »Ich muss auf dem Laufenden gehalten werden. Ich darf nicht zulassen, dass solche Dinge hinter meinem Rücken geschehen. «
    »Ich weiß überhaupt nicht, wovon Sie reden«, sagte Joe mit erhobener Stimme. Er spürte seine Kopfhaut zucken. »Und hinter Ihrem Rücken geht gar nichts vor.«
    »Er hat Sie angerufen!«, schrie sie. »Der Mann, der einen Bundesbeamten auf Bundesland ermordet hat, hat ausgerechnet Sie angerufen!«
    Joe starrte sein Telefon an, als wäre es eine Hyäne. Dann setzte er es wieder ans Ohr. Sie schrie noch immer.
    »Der Empfang wird immer schlechter«, log er, schaltete sein Handy aus und warf es verärgert auf den Beifahrersitz.

11
    Als Joe auf dem Besucherparkplatz der Bezirksverwaltung von Twelve Sleep County hielt, löste sich ein Hahnenschweif aus Schnee von seinem Heck. Er stieg aus. Der dreistöckige, in den für Amtsgebäude typischen gelben Ziegeln errichtete Bau beherbergte Sheriffbüro, Gefängnis, Staatsanwaltschaft, Gericht, Steuerschätzer, Kasse und andere Bezirksbehörden. Die Sandsteininschrift über dem Eingang lautete:
    TWELVE SLEEP COUNTY –
WO DIE STRASSE ENDET
UND DER WESTEN BEGINNT
    Dieser Slogan war ewiger Anlass von Witzen, vor allem bei den Rentnern, die morgens ihren Kaffee im Schnellrestaurant tranken. Seit Jahren wandten sie sich immer wieder an den Roundup und schlugen der Zeitung Sprüche vor, die sie besser fanden:
    TWELVE SLEEP COUNTY –
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