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Blutseele

Blutseele

Titel: Blutseele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Harrison
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im menschlichen Körper existierte. Werfer oder Atavisten. Dass Grace und Boyd selbst Werfer waren, schien denjenigen, die sie finden sollten, nie etwas zu bedeuten.
    Mit gesenktem Kopf drückte Grace einen Knopf an ihrer Uhr. So kennzeichnete sie für eine eventuelle spätere Untersuchung durch Mediziner den Moment, in dem ihr Uhrverlauf vielleicht von dem Jungen beeinflusst worden war, den sie aufspüren sollten. Ihre Uhr wurde wöchentlich von Ärzten kontrolliert, und wenn sie um mehr als dreißig Sekunden falsch ging, musste Grace einen Wiederholungskurs für Energiekontrolle besuchen. Das war seit sechs Jahren nicht mehr geschehen. Doch Hocs Verhalten machte Grace nervös. Der Junge war älter als gewöhnlich. Das verkomplizierte den Zugriff.
    Sie stiegen gemeinsam die Stufen hinauf, Boyds Schritte genau im selben Rhythmus wie ihre, während die Krallen des Border Collies über den Boden kratzten. Es ist zu seinem eigenen Besten, dachte Grace, als sie den winzigen grünen Vorgarten hinter sich ließen. Die Abwesenheit von Spielzeugen und Laufrädern bestätigte deutlich die Aussage des Berichts im Auto, dass der Junge ein Einzelkind war. Die meisten Eltern riskierten keine weitere Schwangerschaft, wenn das erste Kind Anzeichen zeigte, ein Werfer zu sein. Allerdings brachten die meisten ihr Kind auch zu einer der »Partys« der Agentur, um eingeschätzt zu werden, nachdem es einmal zu oft den Fernseher kurzgeschlossen hatte. Wenn sie genug Kontrolle und/oder Fähigkeit besaßen, arbeiteten sie später für die Agentur, wenn nicht, wurde ihnen ihre Gabe stillschweigend genommen.
    Trotzdem gab es immer fehlgeleitete Eltern, die es schafften, die Fähigkeiten ihres Kindes zu verbergen, bis etwas geschah. Oder bis ein anonymer Anruf dafür sorgte, dass Grace oder ein anderer Gesandter der Agentur losgeschickt wurde, um das Kind einzusammeln, zu unterrichten und sich darum zu kümmern – in dieser Reihenfolge und nicht immer mit der Zustimmung der Eltern oder des Kindes.
    Grace und Boyd waren Sammler. Grace war gut in ihrem Job, auch wenn sie sich manchmal darüber ärgerte, dass sie nach vier Jahren immer noch dasselbe tat. Schuld daran war ihre Begabung dafür, potenzielle Werfer einzuschätzen. Jährlich stand in ihrem Bewertungsbogen »Aufmerksame Pflichterfüllung«. Aber die einfache Wahrheit lautete, dass sie deswegen so gut darin war, die schwierigen Fälle einzusammeln, weil sie selbst einst vor der Agentur weggelau fen war. Sie wusste genau, was die Kinder bis ins Mark verängstigte.
    »Bei dir alles okay?«, fragte Boyd, als er seine eigene Uhr auf mögliche Störungen einstellte. Dann klopfte er an die Tür. Auf dem Türklopfer klebte ein lächelnder Kürbis, auf den jemand mit Bleistift »Happy Halloween« geschrieben hatte. Grace runzelte die Stirn. Die Umgebung war einfach zu perfekt. Es wirkte fast wie eine Hollywood-Kulisse.
    »Prima«, sagte sie, während sie auf das Hallen des Türklopfers lauschte. Hoc spitzte die Ohren und starrte erwartungsvoll auf die Tür.
    »Ich will nur nicht, dass du meine Zeiten durcheinanderbringst«, erklärte Boyd abwesend. Wieder klopfte er, dann drückte er auf die Klingel. »Ich habe schon so genug Probleme damit, innerhalb der Normwerte zu bleiben.«
    Grace drehte sich zu ihm und bemerkte, dass er ihrem Blick auswich. »Du hast Kontrollprobleme? Warum hast du mir das nicht erzählt?«
    Er warf ihr einen kurzen Seitenblick zu, und zum ersten Mal ließen ihn seine Falten alt wirken. »Das habe ich doch gerade getan«, meinte er, dann räusperte er sich, weil sich hinter der Tür Schritte näherten.
    Sicher, aber in einem Moment, in dem ich nichts dazu sagen kann, dachte Grace, als die Tür sich öffnete und eine große Frau in Jeans und lockerem Pulli dahinter erschien. Sie trug die Haare kurz, gestyled und mit den Strähnchen, die momentan bei den Frauen in mittleren Jahren so in Mode waren. Mit fragendem Blick musterte sie die Anzüge und wurde bleich, als sie den Wagen hinter Grace und Boyd entdeckte. Die Frau klammerte sich an die Tür und trat zurück, bis sie fast nicht mehr zu sehen war. »Kann ich Ihnen helfen?«
    Kann ich Ihnen helfen, dachte Grace. Nicht, »Was wollen Sie«, oder »Ich kaufe nichts« . Sie wusste, wer sie waren und was sie wollten. Graces Haut begann zu kribbeln. Hinter ihr begann Hoc, mit dem Schwanz zu wedeln, und Grace unterdrückte ihre Aufregung. Aufregung brachte zwar ihre Erg-Stärke nicht durcheinander, aber sie half auch nicht

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