Blutsgeschwister
den Rest aus ihrer Wasserflasche über Seleniceras Kopf. »So blass und kränklich?« Selenicera zuckte vor dem Wasser zurück und wischte es sich aus den Augen, als wären es Tränen.
» Sie soll schrecklich sein? Wie kannst du deine eigene Schwester behandeln wie … wie einen Giftpilz? Verrückte Kuh.« Kit zog ihr Springmesser raus und schoss nach vorne. Sie war genauso außer Kontrolle wie die Flechte, die das Fenster überwucherte.
»Kit«, sagte Fancy scharf genug, um ihre Schwester aufzuhalten. »Das musst du jetzt nicht tun, du erinnerst dich?« Sie hielt das Kinetoskop hoch.
Also hielt Kit inne, mit dem Messer in der Hand, und aus ihrer Wut wurde Frust. »Aber du hast gesagt, das nächste Mal dürfte ich …«
»Ich hab keine Lust, das Blut dieser Frau von meinen Klamotten zu schrubben, wie bei den Frems und dem Alten. Das hat ewig gedauert. Und denk an die ganzen Beweise, die wir hinterlassen würden, wenn …«
»Gut. Mach, was du willst.« Kit steckte wild fluchend das Messer ein, und Fancy kurbelte das Kinetoskop an und brachte sie alle an den glücklichen Ort.
Datura und Selenicera starrten verwirrt und mit großen Augen von der Plattform mit den Statuen aus in den Garten. Selenicera befühlte die gepflasterte Plattform, als suche sie nach dem Dreck, in dem sie beerdigt gewesen war. Doch die Verwirrung wich schnell Bewunderung. Datura und Selenicera kannten sich schließlich aus mit dem Gärtnern, und der Kopflose Garten war heute in Bestform.
»Das Kinetoskop ist weg!«, rief Kit.
»Es kommt nicht mit rüber, Kit«, sagte Fancy. »Ist es noch nie.«
»Warum nicht?«
»Weiß nicht. Cherry hat mir leider keine Gebrauchsanweisung mitgegeben.«
Während die Woodsons mit Glotzen beschäftigt waren, betraten Fancys Lakaien den Garten. Sie schwirrten direkt auf Datura zu und steckten sie zu ihrem Unmut in eine Zwangsjacke.
»Was geht hier vor?«, wollte Datura wissen. Ihre nervösen Augen flirrten zu den Schwestern und gleich wieder weg. »Was macht ihr? Warum ergreifen sie mich?«
Kit half gerade Selenicera, vom Boden aufzustehen und auf ihren spindeldürren Beinen zu stehen, als Fancy sagte: »Das ist nur eine Vorsichtsmaßnahme. Ich habe vor, auszuprobieren, was du gesagt hast. Ich will sehen, ob die Kleine im Licht gedeihen kann. Wenn sie es nicht kann, bringen wir sie um. Und wenn wir sie wirklich töten, will ich doch nicht, dass du dich plötzlich gegen uns wendest und versuchst, dich zu rächen.«
»Was meinst du?« Datura wandte sich Kit zu. »Was meint sie?«
Aber Fancy war zu beschäftigt damit, den Himmel zu beobachten, um zu antworten. Unter ihrem Blick teilten sich die Wolken, und Sonnenlicht fiel auf sie, so sanft wie ein warmer Regen.
Selenicera wurde größer und kräftiger. Ihr dünnes, strähniges Haar wurde dichter und voller, und Rosen erblühten auf ihren milchweißen Wangen. Sie lachte, als sie sah, wie sie sich veränderte, fuhr sich mit den Händen durchs Haar und wirbelte auf ihren nun starken Beinen herum. Während Fancy Selenicera dabei zusah, wie sie gesünder wurde, erkannte sie, dass sie eher neun oder zehn war. Das Leben mit Datura hatte ihr Wachstum behindert.
Anders als ihre Schwester wurde Datura in der Sonne immer schwächer. Ihre Haut schrumpelte und vertrocknete. Das Haar fiel ihr vom Kopf wie Blätter von einem toten Baum. Sie wand sich in ihrer Zwangsjacke und lechzte nach Wasser.
Fancy sagte zu ihr: »Na, sieh mal einer an. Nicht das Kind kommt mit dem Licht nicht klar, sondern du.«
»Bitte.« Die Lakaien mussten sie stützen. »Wasser.«
»Wenn wir also deiner eigenen Logik folgen«, fuhr Fancy fort und ignorierte ihre Bitten, »dann bist du diejenige, die getötet werden muss. Richtig?«
Datura bleckte ihre Zähne. Einer von ihnen fiel aus und klackerte auf die Steine. »Ich hätte meinen ersten Plan durchziehen und euch kremieren sollen.«
»Aber dann wären wir nicht hier und hätten so viel Spaß«, rief Fancy. Kit las den Zahn auf und steckte ihn sich in die Tasche.
Fancy schnippte mit den Fingern, und eine Flut von Bewohnern des glücklichen Orts ergoss sich durch die Hecken und brachte Gartenmöbel und Tabletts mit Essen. Keine Lakaien, nur normale Leute, die lachten und den Kopf beugten, wenn sie Fancy begegneten. Innerhalb weniger Minuten hatten sie Tisch und Stühle aufgestellt und reichten Tee und Sandwiches und Kuchen, genug für ein Abendessen mit der Queen.
»Selenicera, tu was«, sagte Datura während des Tumults. »Lass sie
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