Blutspuk in Venedig
auch Feinde!
Sie hatte sie zuerst nur gespürt, dann gesehen, als sie in den Palazzo eindrangen. Sie waren anders als die normalen Feinde, sie waren stärker, sie würden ihr Schwierigkeiten bereiten, sie waren nicht so einfach zu überlisten, und sie wußten Bescheid. Sie waren wahrscheinlich ihretwegen gekommen.
Die Maske beschloß, vorsichtig zu sein. Trotz der neuen Verhältnisse wollte sie den Blutspuk nicht beenden. Sie mußte ihn weiterführen, das war einzig und allein ihre Aufgabe. Dafür existierte sie. Dieser Keim war in der Vergangenheit gelegt worden.
Sie irrte durch die Stadt. Es gab genügend Deckung für sie, selbst auf dem stets belebten Marcus-Platz, wo zwar niemand mehr im Freien saß, aber noch genügend Touristen alles fotografierten, was sie vor die Objektive bekamen.
Die Maske schwebte weiter. Sie hielt sich eng im Schatten der Häuser, sie fand ihren Weg bis hin zur Rialto-Brücke, und sie spürte die innere Unruhe.
Sie brauchte Menschen, aber sie wußte auch, daß sie gejagt wurde.
Deshalb wollte sie ihre Feinde finden, bevor man sie fand.
Und die Maske suchte.
Sie war sicher, daß es ihr gelingen würde. Und ihre Chancen würden steigen, wenn sich die Dämmerung über Venedig legte und der Himmel noch trostloser wurde.
Das war ihre Zeit…
***
Wir hatten uns von einem Wassertaxi zum Hotel bringen lassen, dessen mächtiger verzierter Bau uns an eine Kirche erinnerte.
Wir legten an der großzügigen Anlegestelle des Hotels an. Als ich zahlte, standen bereits die Pagen bereit, die uns die Türen öffneten. Der Eingangsbereich erstrahlte in einem warmen Licht, durch den wir in eine prächtige Lobby gerieten, die mich an die Barockzeiten erinnerte.
Marmor, Teppiche, Lampen und Lüster, deren Lichter ihren Schein in der Halle verteilten und oft wie Spiegel wirkten.
Wir wurden freundlich begrüßt, die Zimmer waren bereits gerichtet, unsere Koffer bereits oben, und über eine prächtige Treppe erreichten wir die erste Etage. Wir verzichteten gern auf den Lift. Die Pracht in der Halle setzte sich auch in den anderen Etagen fort.
Die Zimmer glichen Ausschnitten aus einem Museum. Ich schaute aus dem Fenster, sah unter mir das Wasser eines Kanals, über das geisterhaft anmutende Boote glitten.
Dieses Zimmer war eine andere Welt, an die ich mich gewöhnen mußte.
Ebenso wie an das mit Marmor ausgekleidete Bad, und es fiel mir schwer zu glauben, daß wir außerhalb des Hotels eine ganz andere Welt, die Wirklichkeit, finden würden.
Die war brutal genug.
Zwei Morde, zwei Leichen ohne Gesicht. Eine killende Maske und ein Palazzo, der bis auf seine Grundmauern abgebrannt sein mußte. So und nicht anders sah es aus.
Ich blies die Luft aus, verließ das Zimmer und ging zu Suko, der schräg gegenüber wohnte. Auch er war von seiner Bleibe beeindruckt. »Da traut man sich kaum, etwas anzufassen, geschweige denn, sich in das Bett zu legen.«
»Wir können ja draußen übernachten.«
Er grinste mich an. »Vielleicht wird es sogar dazu kommen. Die Maske wird kaum Rücksicht auf Zeiten nehmen.«
Ich blickte nachdenklich auf meine Schuhspitzen. »Falls wir sie überhaupt finden.«
»Das immer vorausgesetzt.«
»Wohin?«
»In die Bar.«
Ich stimmte Suko zu. Wenn Claudia Ferrini eintraf, würde sie uns dort zuerst suchen, und ein Anruf würde uns da auch erreichen. Wir schlossen ab und schritten die imposante Treppe hinab, ebenfalls ein Museumsstück aus vergangener Zeit.
Die Bar empfing uns mit gedämpfter Musik. Sie war moderner eingerichtet, doch es gab keinen Stilbruch, denn auch hier umgab uns eine sehr warme Atmosphäre.
An der Theke fanden wir genügend freie Plätze. Unsere Blicke fielen auf das Regal mit den zahlreichen Flaschen, die dicht an dicht standen, aber ihren Inhalt durchzuprobieren, wäre fatal gewesen, so entschieden wir uns beide für ein Wasser.
Wir bekamen es serviert, der Keeper stellte frisch geröstete Mandeln in unsere Nähe, und wir lauschten den Klängen des Pianospielers, einem älteren Mann, der so selbstvergessen spielte, als wäre er ein großer Virtuose, der den Kompositionen eines Frederic Chopin neuen Drive verleihen wollte.
Suko schlug leicht mit der Handfläche auf das Holz. »Was wird die Maske tun?«
»Versuchen an neue Opfer heranzukommen.«
»Ist das alles?«
»Worauf willst du hinaus?«
Suko runzelte die Stirn. »Auch wenn du es nicht glaubst, aber ich habe nachgedacht.«
»Ist etwas dabei herausgekommen?«
»Mehr als uns lieb sein
Weitere Kostenlose Bücher