Blutspuk in Venedig
einem Kanal schwebte, was in dieser Stadt oft zu sehen war.
Ein Büro, eine kleine Wohnung? Beides stimmte. Wir entdeckten einen Schreibtisch aus dunklem Holz und mit Säulenverzierungen, ebenso wie ein Bett, das seinen Standort hintereinem Vorhang gefunden hatte, der jetzt allerdings über die Hälfte hinweg zurückgezogen war. Das Bett sah zerwühlt aus, als hätte jemand bis vor kurzem noch darin geschlafen.
Viel wichtiger war für uns das drei flügelige Fenster. Das Teil an der rechten Seite stand offen, so daß der kühle Wind in den Raum hineinwehen konnte.
Er streichelte unsere Gesichter, als wir tiefer in den Raum hineingingen.
Unter der Decke schimmerte eine Lampe. Sie bestand aus grünlichem Glas und hatte die Form einer Maske, deren Maul weit geöffnet war.
Diese Maske suchten wir nicht, sondern zunächst einmal die Person, deren Tritte Suko gehört hatte. »Wo steckt sie?«
Ich schob Suko zur Seite und ging nach links. Dort stand ein Schrank.
Daneben sah ich eine weitere Tür, die ich blitzschnell aufriß.
Wir sahen den Mann.
Er drehte uns den Rücken zu und traf auch keine Anstalten, sich umzuwenden. Wahrscheinlich hatte er uns nicht gehört. Was auffiel, waren seine Bewegungen. Er stand gebückt und hatte den Kopf noch nach vorn gedrückt, um auf ein altes Sofa zu schauen, das quer vor ihm einen Platz gefunden hatte. Er bewegte seinen Oberkörper hin und her, und diesen Rhythmus hatten auch seine Beine angenommen. Er hob die Beine an, stapfte auf den alten Holzbohlen herum, als wäre er in einen tranceartigen Ritualtanz vertieft.
Mein Kreuz erwärmte sich rasch.
Die Maske war nah!
Ich lief auf die Gestalt zu, deren graue Haare ebenfalls schwangen, ich wollte sie an der Schulter fassen und herumdrehen, dazu kam es nicht mehr. Wir hörten beide den dumpf klingenden Schrei, dann stoppte die Bewegung des Mannes abrupt, er drehte sich um – und wir starrten fassungslos in sein Gesicht.
Nein, nicht in sein Gesicht.
Es war die Maske, gegen die wir schauten!
***
Sie sah noch böser und abstoßender aus, als wir sie in Erinnerung hatten. Vielleicht lag es auch am einfallenden Licht, daß sie so schimmerte, als wäre sie poliert worden. Das Maul verzogen, die Rose klebte darin, tiefe Schwärze lauerte in den Augenhöhlen, und der irgendwie traurige Ausdruck war von einem anderen übertüncht worden.
Bösartig und wild sah sie aus.
Sie wollte das Grauen, sie wollte den Tod, sie wollte uns damit überschwemmen, und sie hatte wieder ein Opfer gefunden, dessen Bewegungen schwächer und schwächer wurden.
Vielleicht waren wir zu sehr überrascht worden. Vielleicht hatten wir auch die berühmte Sekunde zu lange gezögert, denn der Maske gelang es, die Initiative zu ergreifen.
Blitzschnell löste sie sich vom Gesicht ihres Opfers. Der Schrei war nicht mehr zu hören, statt dessen wirbelten kleine Blutstropfen durch die Luft und verschonten auch uns nicht. Wir wischten sie nicht weg, sondern wandten uns den neuen Zielen zu.
Ich wollte die Maske haben, Suko mußte sich um den Ladenbesitzer kümmern, und mir gelang noch ein Blick auf dessen Gesicht, das in einem wahren Blutgerinnsel schwamm.
Dann sprang ich der Maske entgegen.
Sie hatte sich durch eine Bewegung zur Decke hin in Sicherheit gebracht, so daß ich mit der linken Hand ins Leere griff. Ich mußte erneut ausholen, tat es mit der rechten, in der ich mein Kreuz hielt, und schleuderte es auf die Maske zu, wobei ich selbst die Kette losließ, um sie zu treffen.
Wieder war sie schneller.
Wie ein Strich war sie nach unten getaucht, huschte an meinen Beinen entlang und aus dem Raum.
Ich ahnte, was sie vorhatte. Meine Drehung war zackig und schnell, der nächste Schwung katapultierte mich schon über die Schwelle hinweg, wobei ich noch mit der Schrankecke kollidierte, um dann feststellen zu müssen, daß mir die Maske entwischt war.
Sie hatte bereits das Fenster erreicht, sich dort gedreht und durch den Spalt gedrückt. Sie war draußen.
Ich riß die Beretta hervor, nahm das Kreuz in die linke Hand und feuerte hinter der Maske her.
Die Scheibe zersplitterte und verwandelte sich in einen Regen aus Scherben, aber die Maske war durch das rasche Fallen dem geweihten Silbergeschoß entkommen.
Wieder einmal.
Ich gab trotzdem nicht auf und lief zum Fenster hin. Noch auf dem Weg hörte ich das hier in Venedig allseits bekannte Tuckern, das immer dann entsteht, wenn ein Bootsmotor angelassen wird.
Verdammt noch mal, ich würde wieder zu spät
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