Blutspuk in Venedig
kommen, gab trotzdem nicht auf, sondern schaute durch die Lücke des zerstörten Fensters in die Tiefe.
Es war, wie ich geahnt hatte. Die Maske hatte einen Helfer bekommen, obwohl der sichtlich nicht nötig gewesen war, aber ich sah, daß ein Boot mit hoher Geschwindigkeit davonfuhr und auf dem Wasser einen hellen Streifen hinterließ. Ob sich die Maske auf dem Boot aufhielt oder irgendwo durch die Dunkelheit schwebte, war nicht zu erkennen, jedenfalls sah ich sie nicht mehr und konnte auch den Fahrer des Boots nicht identifizieren.
Ich trat vom Fenster zurück und sah Suko, der den Mann auf seinen Armen hielt, ihn zu seinem Bett brachte und dort niederlegte. »Was ist mit ihm?«
»Tot.«
Ich schloß für einen Moment die Augen. »Das dritte Opfer also.«
»Ja.«
Plötzlich überkam mich die Wut. Nein, nicht die Wut, es waren der Haß und der Zorn zugleich, die mich wie eine Woge überschwemmten. Suko sah es mir an und fragte: »Was hast du?«
Ich erwachte wie aus einem bösen Traum. »Schon gut, Suko, es war nur der Moment.«
»Aha.«
»Und wenn du jetzt nach der Maske fragst«, flüsterte ich, »muß ich dich leider enttäuschen. Sie ist abermals entkommen, aber sie hat einen Helfer gehabt.«
»Wen?«
Ich mußte leider passen. »Keine Ahnung. Ich konnte ihn nicht erkennen. Er huschte mit dem Boot davon. Zumindest habe ich den Eindruck gehabt. Aber ich frage mich, weshalb uns die Maske hergelockt hat. Warum tötete sie den Mann? Warum hier?«
»Sie wird dir kaum eine Antwort geben.«
»Das fürchte ich auch.«
»Dabei kennen wir nicht mal seinen Namen.«
»Was sich ändern wird.« Ich ging auf den Schreibtisch zu. »Vielleicht finden wir dort etwas.« Die Lade in der Mitte öffnete ich noch nicht, weil Suko sagte: »Ich habe einen Schuß gehört. Kann das stimmen?«
»Das ist richtig, aber die Kugel hat nicht getroffen. Unsere Maske war einfach zu schnell.«
Er hob die Schultern, und ich zog die Lade auf. Sie war sehr breit, auch tief, aber ziemlich flach. Ich holte die Bögen hervor, die mit Entwürfen bemalt waren, als hätte hier ein Modeschöpfer seine ersten Skizzen entworfen. Suko schaute mir von der Seite her zu. Er war wie ich der Meinung, daß dieser Mann, dessen Namen wir noch immer nicht kannten, die Kostüme selbst entworfen hatte.
»Wie auch die Masken«, sagte ich, als ich andere Bögen mit ihren Entwürfen hervorholte. Beide staunten wir.
Es waren kleinere Bögen. Wir schauten uns die Zeichnungen an, aber unsere Maske entdeckten wir nicht darunter. Ansonsten fanden wir nichts, was auf eine Identifizierung der Person hingedeutet hätte.
»Vielleicht trug er einen Ausweis bei sich«, sagte Suko. Er wandte sich dem Bett zu. Mit flinken Fingern tastete er über die Kleidung des Toten und fand tatsächlich eine Brieftasche in der Jacke. Sie war schmal, bestand aus schwarzem Leder. Als Suko sie aufklappte, war er unter die Deckenleuchte getreten.
»Da ist der Ausweis.«
»Wie heißt der Mann?«
»Canio Lentini.«
Ich hob die Schultern. Der Name war mir ebenso unbekannt wie meinem Freund. Er gab nicht auf und kramte weiter in der Brieftasche, fand Geld, das er wieder zurücksteckte, und klemmte schließlich zwei Finger in einen Spalt.
»Ist dort was?«
Er nickte mir zu. »Ja, es fühlt sich nach einem Versteck an. Da klemmt etwas dazwischen.« Suko hatte den Spalt wenig später so erweitert, daß er hineinfassen konnte und den Gegenstand hervorholte. Er drehte ihn herum. Schon von der Rückseite her hatte ich gesehen, daß es sich um eine Aufnahme handelte.
»Ein Fo…« Mein Freund sagte nichts mehr, sondern drehte das Bild herum, damit auch ich es sehen konnte.
Ich schwieg, wurde blaß, war gleichzeitig durcheinander. Die Person auf dem Foto war keine geringere als Claudia Ferrini…
***
»Also doch«, flüsterte ich.
»Was meinst du damit?«
»Claudia.«
»Das ist ihr Foto, John, stimmt. Aber was beweist das? Es beweist doch nicht, daß sie direkt mit der Maske zu tun hat, sondern einzig und allein, daß Lentini und sie sich kannten. Nicht mehr und nicht weniger.«
»Kann schon sein, mein Freund. Ich aber frage mich, wie gut sich beide kannten. Auf der einen Seite steht sie, auf der anderen Lentini. Und zwischen ihnen befindet sich die Maske. Ich habe das Gefühl, daß es von beiden Personen aus eine Verbindung zu dieser Maske gibt. Welche das ist, werden wir herausfinden müssen.«
»Durch Claudia.«
»Wen willst du sonst fragen?«
»Keinen. Aber was ist mit dem
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