Blutstein
Gerlof wollte das Thema wechseln und nickte zum Gartentor. »Was hältst
du von unseren neuen Nachbarn? Auf der anderen Seite?«
John schwieg.
»Kennst du sie noch nicht?«
»Doch, ich habe sie schon mal gesehen. Aber sie waren bisher ja
nicht da, ich weiß praktisch nichts über sie.«
»Ich auch nicht. Aber neugierig bin ich schon. Du nicht?«
»Sie sind reich«, sagte John abfällig. »Reiche Städter vom
Festland.«
»Hundertprozentig!«, pflichtete ihm Gerlof bei. »Du solltest sie
wissen lassen, dass es dich hier im Ort gibt.«
»Warum das denn?«
»Damit du ein paar Aufträge von ihnen bekommst, bevor die
Campingsaison beginnt.«
»Stimmt, das wäre was.«
Gerlof nickte und lehnte sich ein bisschen vor.
»Und lass es dir gut bezahlen!«
»Klar doch!«, sagte John und sah dabei fast fröhlich aus.
7
S ie
werden also die nächsten Wochen hierbleiben?«, fragte der junge
Grundstücksmakler, als er Vendela Larsson die Hausschlüssel und die letzten
Dokumente überreichte. »Und die Frühlingssonne genießen?«
»Na, das hoffen wir doch«, antwortete Vendela und lachte.
Sie lachte oft aus Nervosität, wenn sie sich mit Leuten unterhielt,
die sie nicht kannte. Aber diese Angewohnheit würde jetzt verschwinden, hoffte
sie zumindest. Einiges sollte sich hier auf der Insel verändern.
»Super, sehr gut«, freute sich der Grundstücksmakler. »Damit helfen
Sie, die Touristensaison zu verlängern, wie richtige Pioniere ... Sie zeigen den
Bewohnern auf dem Festland, dass man den Frieden hier auf Öland länger genießen
kann als nur die paar Wochen im Sommer.«
Vendela nickte.
Den Frieden genießen? Das hing hauptsächlich davon ab, ob es ihr
gelang, sich zu entspannen, und ob Max zufrieden war und sein Kochbuch
fertigstellen würde.
Im Moment stand er in seiner beheizten Garage und brauste seinen
Wagen ab. Jeder einzelne Tropfen Blut musste entfernt werden. Max hatte die
ganze Zeit kein Wort über das Geschehene verloren, aber die Wut hing wie ein
säuerlicher Gestank über ihm.
Vendela musste sich allein um den Grundstücksmakler kümmern, und sie
musste sich sehr zusammenreißen, um in dem kalten Wind nicht unablässig zu
zittern. Es war Abend, die Sonne war im Sund untergegangen und hatte die Wärme
mitgenommen. Am liebsten wäre sie zurück ins Haus gegangen.
Aber der Makler ließ seinen Blick zu den benachbarten Häusern
wandern, die in der Dämmerung noch zu sehen waren, die große Villa im Süden und
das kleinere Häuschen wenige Hundert Meter nördlich von ihrem Anwesen.
»Das ist eine exzellente Gegend hier«, sagte er begeistert, »ganz
exzellent. Man hat Nachbarn, aber in angemessenem Abstand, nicht zu nah und
nicht zu weit entfernt. Und kein Grundstück zwischen ihrem und dem Strand ... Sie
müssen nur um den Steinbruch herumlaufen, und schon können Sie Ihre morgendliche
Schwimmrunde absolvieren.«
»Dafür muss erst das Eis schmelzen!«, entgegnete Vendela.
»Das ist bestimmt bald so weit«, versicherte der Makler. »Es ist
ungewöhnlich, dass die Küste um diese Jahreszeit noch gefroren ist ... aber wir
hatten einen harten Winter. In einigen Nächten bis minus fünfzehn Grad.«
Neben dem Makler stand ein Arbeiter im Blaumann, der etwa einen Kopf
kleiner war. Es war der lokale Bauunternehmer, der Vendela zunickte.
»Rufen Sie mich an, wenn etwas nicht in Ordnung ist«, sagte er.
Das waren seine ersten und einzigen Worte an diesem Abend. Der
Makler und er machten Anstalten zu gehen.
»Achten Sie auf gute Nachbarschaft«, lautete der letzte Rat, den ihr
der Makler mit auf den Weg gab, als sie sich die Hände zum Abschied
schüttelten. »Das ist die goldene Regel für Hausbesitzer.«
»Wir haben bisher noch keine Nachbarn kennengelernt«, erwiderte
Vendela und lachte erneut ihr nervöses Lachen.
Als sie ins Haus zurückkehrte, erhob sich der arme Aloysius mühsam
in seinem Korb und begann zu bellen. Er schien sie nicht erkennen zu können –
vielleicht hatte auch sein Geruchssinn schon stark gelitten.
»Aber ich bin es doch nur, Ally«, beruhigte ihn Vendela und
streichelte seinen Kopf.
Draußen auf dem windigen Grundstück fühlte sie sich ausgeliefert,
aber im Haus konnte ihr niemand etwas anhaben. Sie liebte die glatten
Oberflächen der Villa. Alles war so neu, es gab noch keinen Krimskrams und
Dreck in den Schränken oder auf dem Dachboden. Kein Keller, der gesäubert und
leer geräumt werden musste.
Sie erinnerte sich an die Worte des Maklers über gute
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