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Blutstein

Blutstein

Titel: Blutstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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und dann einfach verschwand. Der Kranke wurde von einer
übermächtigen Müdigkeit erfasst und hatte keine Kraft mehr zu leben.
    Schwindsucht .
Jahrelang hatte sich Vendela gefragt, ob das erblich sei, bis sie von ihrer
Tante Margit erfuhr, dass Kristin einem Blinddarmbruch erlegen war.
    Als sie den Steinbruch erreichen, hört Henry auf zu singen. Er
bleibt an der Kante stehen, vor ihm erstreckt sich die breite Senke. Trocken
und kalt ist es hier.
    »Hier haben die Menschen fünfhundert Jahre lang den Boden abgetragen
und Steine aus dem Berg geschlagen. Steine für Schlösser und Burgen und
Kirchen. Und für Gräber, natürlich.«
    Vendela steht neben ihrem Vater und betrachtet die graue Landschaft,
die zerstört und allen Lebens beraubt wurde.
    »Was siehst du?«
    »Steine und Kies«, antwortet Vendela.
    Henry nickt.
    »Sieht aus wie auf dem Mond, oder? Ich fühle mich immer wie ein
Astronaut, wenn ich hier bin, es fehlt eigentlich nur noch eine Rakete ...«
    Ihr Vater lacht, er hat sich schon immer für den Weltraum
interessiert.
    Aber sein Lachen verstummt, als sie unten im Steinbruch stehen.
    »Hier haben vor gar nicht allzu langer Zeit noch viele Menschen
gearbeitet«, erzählt er. »Aber sie haben alle aufgegeben, einer nach dem
anderen ...«
    Vendela sieht hinüber zu den Steinhauern. Fünf Männer stehen auf dem
Gelände verstreut, mit müden Rücken und weiß gepuderter Kleidung. Henry winkt
ihnen zu und ruft:
    »Hallo und guten Tag!«
    Keiner der Steinhauer erwidert den Gruß. Sie halten ihre Bohrer und
Hammer in den Händen, haben sie aber gesenkt, um die unerwarteten Besucher zu
betrachten.
    »Warum arbeiten sie nicht?«, flüstert Vendela ihrem Vater zu.
    Henry schüttelt den Kopf, als hätte er die Hoffnung für seine
Kollegen aufgegeben.
    »Sie stehen dort herum und sehnen sich fort von hier«, erklärt er
mit gedämpfter Stimme. »Sie fragen sich, warum sie nie die Gelegenheit
ergriffen haben, nach Amerika auszuwandern.«
    Dann zeigt er ihr den Weg zu seinem Arbeitsplatz im südlichen Teil
des Steinbruchs, wo er Bruchsteine aufeinandergetürmt und sich einen etwas
wackeligen Windschutz oben auf der Felskante errichtet hat.
    »Und hier lebt der Nöck, der Wassermann!«, verkündet er.
    Er bittet Vendela herein, und sie setzen sich auf zwei Steinblöcke.
Henry hat eine Thermoskanne mit Kaffee dabei und trinkt zwei Becher.
    »Passt auf, ihr da unten!«, sagt er und gießt den Rest seines
Kaffees über die Steine.
    Vendela weiß, dass er so die Trolle warnen will, damit sie sich
verstecken können.
    Der Kalkstaub kitzelt in ihrer Nase. Sie lässt ihren Blick durch den
Steinbruch wandern, hier liegen so viele Steinbrocken herum. Überall liegen sie
zu Haufen aufgetürmt, und Vendela sieht genau hin, ob sich jemand dahinter
versteckt.
    »Wonach suchst du?«, fragt Henry sie. »Hältst du Ausschau nach den
Trollen?«
    Vendela nickt. Ihr Vater lacht laut auf.
    »Da besteht keine Gefahr, die Trolle lassen sich tagsüber nicht
blicken, sie mögen das Sonnenlicht nicht. Die zeigen sich erst, wenn die Sonne
untergegangen ist.«
    Er dreht sich geheimnisvoll um und fährt fort:
    »Aber bevor die Menschen hier eindrangen, war es das Reich der
Trolle. Sie wohnten genau hier am Meer. Und die Elfen, ihre größten Feinde,
wohnten im Landesinneren. Einmal aber haben die Elfen das Reich der Trolle
betreten. Sie trafen sich am Steinbruch, und an jenem Tag floss Blut. Der Boden
war getränkt mit Blut.«
    Er streckte den Arm aus und zeigte auf die Felsenkante im Osten.
    »Das Blut kann man heute noch sehen ... Komm mal mit, ich zeig es
dir.«
    Er führt Vendela an die steile Felswand, die senkrecht in den Himmel
steigt. Henry bückt sich und weist auf eine waagrechte, rötliche Schicht in dem
hellen Gestein, unmittelbar über dem Boden.
    Vendela geht näher heran und bemerkt, dass in dieser Steinschicht
lauter dunkelrote Klumpen stecken.
    »Blutstein nennt man das«, erklärt Henry und richtet sich wieder
auf. »Das ist alles, was noch von dem Kampf zwischen den Trollen und den Elfen
zeugt, versteinertes Blut.«
    Vendela weiß, dass die Königin der Elfen diesen Kampf angeführt
haben muss. Aber jetzt hat sie genug davon gesehen.
    »Bekämpfen die sich noch immer, Papa?«
    »Nein, sie haben so eine Art Waffenstillstand geschlossen«, sagt
Henry. »Wahrscheinlich haben sie vereinbart, dass die Trolle unter dem
Blutstein leben und die Elfen in der Großen Alvar. So können sie sich aus dem
Weg gehen.«
    Vendela hebt den

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