Bluttat
seine ganze Art .« Er blieb stehen. Hinter uns waren leere Zellen. »Doc, falls irgendwas von dem, was ich Ihnen sage, an die Öffentlichkeit dringt, werde ich Ihnen nie wieder was anvertrauen.«
»Das hier bleibt unter uns.«
»Ich meine es ernst«, sagte er. »Ich rede mit Ihnen, weil es heißt, dass Sie ehrlich sind und für Richter Laskin tun, was Sie können, und wir alle respektieren Richter Laskin, weil er weiß, wie es in der Welt wirklich zugeht.«
Ich wartete.
Er blickte über die Schulter und blieb wieder stehen. Um uns herum herrschte Stille; nur im Hochsicherheitstrakt konnte ein Gefängnis so leise sein. Ein kurzes Stück weiter war eine besetzte Zelle, und ich konnte sehen, wie der Insasse uns prüfend ansah. Gepflegt, grauhaarig, mittleren Alters. In einer Hand hielt er ein Heft des Time -Magazins.
Sherrill zog mich ein Stück weiter den Gang hinunter und murmelte: »Der da ist ein Mitglied der Russen-Mafia. Schneidet Ihnen wie nichts die Kehle durch.« Als wir allein waren, sagte er: »Ich rede nicht viel mit Gefangenen, das Leben ist zu kurz, warum soll man es mit Dreck anfüllen. Aber bei dem hier hab ich versucht, freundlich zu sein, weil er ja noch ein Kind ist. Turner reagiert darauf, indem er mich ignoriert. Völlig. Tut so, als wäre ich unsichtbar. Einmal hatte ich ein paar Tage frei, und als ich zurückkam, sah er aus, als hätte er abgenommen. Ich hab ihm Frühstück gebracht, mit ein paar Scheiben Toast zusätzlich, weil er wirklich schlecht aussah. Er schnappte sich ein Stück und verschlang es wie eine Hyäne. Ich hab ihn gefragt, ob er wüsste, warum er hier ist. Diesmal ignoriert er mich nicht, sondern sagt gleich: ›Wegen dem, was ich getan hab.‹ Aber ohne jedes Gefühl. Als ob er Pommes und eine Cola bestellt. Dann nimmt er ein weiteres Stück Toast von dem Frühstückstablett, sieht mir in die Augen und fängt langsam an zu kauen. Brocken fallen aus seinem Mund, und dann fängt er an zu sabbern und die Augen zu verdrehen. Benimmt sich wie ein Idiot, als wäre es ein großer Spaß. Ich stehe da, und er macht damit weiter, und dann spuckt er alles auf den Boden und sagt: ›Was ist?‹ Als würde ich ihn belästigen. Und ich sage: ›Du hast meine Frage nicht beantwortet. Warum bist du hier drin?‹ Und er sagt: ›Ich hab das Mädchen kaltgemacht, deshalb.‹ Dann zertritt er den Toast auf dem Boden und sagt: ›Der Fraß hier ist Scheiße, Mann. Gib mir was Richtiges zum Essen.‹«
»Reumütig«, sagte ich.
»Doc, Gott möge mir verzeihen, dass ich das sage - falls Sie es wiederholen, streite ich es ab -, aber manche Spermien sollten ertränkt werden, bevor sie die Chance bekommen, schwimmen zu lernen.«
7
Ein kleiner Junge, dünne Ärmchen, herzförmiges Gesicht. Erwartungsvolle braune Augen weiteten sich, als ich seine Zelle betrat. Die verkniffenen, gekränkten Gesichtszüge eines Waisenkinds aus einem Dickens-Roman.
Ich stellte mich vor.
Er sagte: »Erfreut, Sie kennen zu lernen.« Es kam ihm leicht über die Lippen, wie auswendig gelernt, aber falls es sarkastisch gemeint war, hörte ich es nicht heraus.
Ich setzte mich, und er sagte: »Der Stuhl ist nicht wirklich bequem.«
»Die Auswahl hier ist ja nicht groß«, erwiderte ich.
»Sie können auf dem Bett sitzen, und ich kann mich dorthin setzen.«
»Danke, Troy, aber ich sitze gut hier.«
»Okay.« Er setzte sich gerade hin, legte beide Hände auf die Knie.
Ich nahm meinen Notizblock heraus. Sah mir seine Hände an. Schmale weiße Hände mit langen Fingern, schmutzig um die Nagelhäute herum, aber die Nägel waren ordentlich geschnitten. Zierliche Hände. Es gehörte nicht viel Kraft dazu, ein kleines Kind zu erwürgen, aber trotzdem …
»Troy, ich bin Psychologe.«
»Sie sollen mit mir über meine Gefühle reden.«
»Jemand hat dir das gesagt.«
»Miz Weider.«
Sydney Weider war seine Pflichtverteidigerin. Sie war hinsichtlich eines Treffens vor Beginn meiner Untersuchung hartnäckiger gewesen als Lauritz Montez und aggressiv geworden, als ich mich geweigert hatte. Laskin hatte sie als »Bullterrier« bezeichnet: »Denken Sie an meine Worte. Sie macht sich schon jetzt Notizen für die Anwälte in der Berufungsinstanz.«
»Was hat dir Ms. Weider über mich gesagt?«
»Sie werden Fragen stellen, und ich sollte mit Ihnen zusammenarbeiten.« Er lächelte, als wollte er seine Bereitschaft demonstrieren.
Ich fragte: »Gibt es etwas, worüber du reden möchtest?«
»Ich denke schon«, sagte
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