Bluttat
war die übliche distanzierte Angelegenheit, am Tatort von Detective I S. J. Binchy aufgenommen. Sean war ein ehemaliger Bassgitarrist in einer Ska-Band, der zum wiedergeborenen Christen konvertiert war, ein entgegenkommender Junge, den Milo manchmal für die Laufarbeit rekrutierte.
Ein netter Junge, ganz gut in Rechtschreibung. Das einzige Neue, was ich erfuhr, war der Umstand, dass eine Freeway-Reinigungscrew die Leiche um vier Uhr vierzehn gefunden hatte.
Das erste Foto war eine frontale Aufnahme der auf dem Rücken liegenden Leiche, die der Fotograf des Gerichtsmediziners von oben abgelichtet hatte.
Ausgebleichtes Gesicht in der Nacht - schwer, Details zu erkennen. Eine Nahaufnahme zeigte den offen stehenden Mund und die halb geschlossenen Augen, die ich schon so oft gesehen hatte. Leere hinter der Iris. Die rechte Wange war leicht konvex, aber es war nicht die Art von Verzerrung, die mit einem im Kopf herumwirbelnden Kleinkalibergeschoss einhergeht.
Zwei Seitenansichten präsentierten eine dunkle, sternförmige, von einem schwarzen Pulverrand umgebene Eintrittswunde direkt vor dem linken Ohr und einen gezackten Ausschuss, der viel größer war und ein wenig höher an der rechten Schläfe lag und Knochen, rotes Fleisch und das Hafermehl von Gehirnmasse erkennen ließ.
Ich sagte: »Glatter Durchschuss.«
»Der Gerichtsmediziner glaubt an einen Schuss mit aufgesetzter Waffe oder aus extrem kurzer Entfernung, Vollmantelgeschoss, nicht größer als Kaliber 38, normale Pulvermenge.«
Seine Stimme war zurückhaltend. Er hielt Abstand von diesem Opfer.
Das nächste Foto war eine Nahaufnahme. »Was ist mit diesen Abschürfungen an der Wange?«
»Er lag auf dem Gesicht, als er gefunden wurde; vielleicht wurde er ein bisschen über den Boden geschleift, als man ihn ablud. Kein Gewebe unter seinen Fingernägeln oder Wunden oder andere Anzeichen, die auf einen Kampf schließen lassen. Nicht viel Blut am Fundort, also ist er woanders erschossen worden.«
»Er ist groß«, sagte ich. »Wenn es keinen Kampf gab, ist er vermutlich überrascht worden.«
»Ich würde dich fragen, ob du ihn wiedererkennst, aber wir haben gerade die Nachricht von AFIS bekommen. Die Fingerabdrücke bestätigen, dass es sich um Duchay handelt.«
Ich schaute mir die Bilder noch einmal an und versuchte, über Verletzungen und Tod hinwegzusehen. Die kindliche Gesichtsstruktur Rand Duchays war durch die Pubertät in etwas Längeres und Härteres verwandelt worden. Seine Haare waren dunkler, als ich sie in Erinnerung hatte, aber das konnte an der Ausleuchtung liegen. Im Leben war er ein langsames Kind mit trägen Gesichtszügen gewesen. Das hatte der Tod nicht geändert. Hätte ich Rand erkannt, wenn wir uns auf der Straße begegnet wären?
Ich fragte: »Gibt es Klarheit darüber, wann es passiert ist?«
»Du weißt, wie es mit dem Todeszeitpunkt ist: Meistens beruht er auf Schätzungen. Wir gehen davon aus, dass Duchay irgendwann zwischen neun Uhr abends und ein Uhr nachts erschossen wurde.«
Um neun Uhr war ich von meinem fehlgeschlagenen Treffen mit Rand längst wieder zu Hause gewesen. Vielleicht hatte er seine Meinung geändert. Vielleicht war seine Meinung auch geändert worden.
»Hast du es zufällig rausgefunden?«, fragte ich. »Oder hast du nach ihm gesucht?«
Milo streckte seine Beine so weit aus, wie es das Zimmer gestattete. »Nach deinem Anruf hab ich beschlossen, mich ein bisschen über Duchay zu informieren, und stellte fest, dass er vor drei Tagen entlassen worden war. Vier Jahre früher, gute Führung.« Geblähte Nasenlöcher verrieten, was er davon hielt.
»Ich erfuhr, in wessen Obhut man ihn entlassen hatte, was einige Zeit dauerte. Rief dort an, ohne Erfolg, und entschied, dass ein durch die Westside schlendernder Killer meinem Ordnungssinn zuwiderlief. Ich hinterließ Sean eine Nachricht, dass er Berichte über Herumtreiber und Einbruchsversuche in den letzten drei Tagen überprüfen sollte. Dann fuhr ich den Westwood hoch und sah mir einige Seitenstraßen genauer an.« Er stieß innen mit der Zunge gegen seine Wange. »Ich dachte mir, dass ich zum Schluss bei dir vorbeischaue, mir von dir ein Sandwich machen lasse und dir bon voyage wünsche. Dann ruft Sean zurück, er ist beim Gerichtsmediziner, der gestern Abend einen Fall reinbekommen hat, der nicht unkompliziert aussah, und die Jungs von der Spurensicherung hatten was übersehen, aber eine Assistentin stieß darauf, als sie die Leiche auszog. Ein kleines Stück
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