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Bluttat

Bluttat

Titel: Bluttat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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ein bestimmtes Syndrom standen.
    »Ich bin Psychologe, Rand. Weißt du, was das ist?«
    »’ne Art Arzt.«
    »Richtig. Weißt du, was für eine Art?«
    »Nee.«
    »Psychologen geben keine Spritzen oder untersuchen deinen Körper.«
    Er zuckte zusammen. Wie jeder andere Insasse war er einer vollständigen ärztlichen Untersuchung unterzogen worden.
    Ich sagte: »Ich befasse mich damit, wie du dich innerlich fühlst.«
    Seine Augen gingen nach oben. Ich berührte meine Stirn. »Was in deinem Kopf vor sich geht.«
    »So was wie ein Klapsdoktor.«
    »Kennst du Klapsdoktoren?«
    »Verrückte Typen.«
    »Klapsdoktoren sind für verrückte Typen.«
    »Hmmh.«
    »Wer hat dir das gesagt?«
    »Gram.«
    »Deine Großmutter?«
    »Hmmh.«
    »Was hat sie noch über Klapsdoktoren gesagt?«
    »Wenn ich mich nicht richtig benehme, würde sie mich dahin schicken.«
    »Zu einem Klapsdoktor.«
    »Hmmh.«
    »Was heißt ›richtig benehmen‹?«
    »Brav sein.«
    »Wie lange ist es her, dass deine Großmutter das zu dir gesagt hat?«
    Darüber dachte er nach, schien sich richtig darum zu bemühen, es herauszubekommen. Gab auf und starrte auf seine Knie.
    »War das, bevor du ins Gefängnis gekommen bist, oder danach?«
    »Davor.«
    »War deine Großmutter böse auf dich, als sie das gesagt hat?«
    »Glaub schon.«
    »Weshalb war sie böse?«
    Seine picklige Haut wurde rot. »Wegen Sachen.«
    »Sachen«, sagte ich.
    Keine Antwort.
    »Hat Gram dich hier schon besucht?«
    »Glaub schon.«
    »Du glaubst schon?«
    »Yeah.«
    »Wie oft kommt sie denn?«
    »Manchmal.«
    »Hat sie irgendwas zu dir gesagt?«
    Schweigen.
    »Nichts?«, fragte ich.
    »Sie hat mir Essen gebracht.«
    »Was hat sie dir gebracht?«
    »Oreos«, sagte er. »Sie ist sauer.«
    »Warum?«
    »Weil ich es kaputtgemacht hab.«
    »Was hast du kaputtgemacht?«
    »Alles.«
    »Wie hast du das gemacht?«
    Seine Augenlider flatterten. Fielen zu. »Meine Sünde.«
    »Deine Sünde.«
    »Das kleine Kind umzubringen.« Er legte sich wieder hin, warf einen Arm über die Augen.
    »Hast du ein schlechtes Gewissen deswegen?«, fragte ich.
    Keine Antwort.
    »Weil du das kleine Kind umgebracht hast?«, soufflierte ich.
    Er drehte sich auf die andere Seite, mit dem Gesicht zur Wand.
    »Was hältst du davon, was mit dem kleinen Kind passiert ist, Rand?«
    Mehrere Sekunden vergingen.
    »Rand?«
    »Er hat gelacht.«
    »Wer hat gelacht?«
    »Troy.«
    »Troy hat gelacht.«
    »Hmmh.«
    »Wann?«
    »Als er es geschlagen hat.«
    »Troy hat gelacht, als er Kristal geschlagen hat.«
    Schweigen.
    »Hat Troy sonst noch was mit Kristal gemacht?«
    Fast eine Minute blieb er unbeweglich liegen, dann drehte er sich wieder in meine Richtung. Seine Lider hoben sich zur Hälfte. Er leckte sich die Lippen.
    »Es ist schwer, darüber zu reden«, sagte ich.
    Leichtes Nicken.
    »Was hat Troy sonst noch mit dem kleinen Kind gemacht?«
    Er setzte sich mit den steifen, schwerfälligen Bewegungen eines alten Mannes auf und legte sich in einer Pantomime des Würgens die Hände um den Hals. Es ging über Pantomime hinaus; seine Augen weiteten sich, sein Gesicht wurde puterrot, und seine Zunge trat hervor.
    Ich sagte: »Troy hat das kleine Kind erwürgt.«
    Seine Knöchel wurden weiß, als er fester zudrückte.
    »Das reicht, Rand.«
    Er begann sich hin und her zu wiegen, während seine Finger sich in sein Fleisch gruben. Ich stand auf und lockerte seinen Griff. Er war ein kräftiger Junge; ich musste mich anstrengen. Er keuchte, machte ein würgendes Geräusch und warf sich wieder auf den Rücken. Ich blieb neben ihm stehen, bis sein Atem langsamer ging. Er zog die Knie an die Brust. Druckstellen verfärbten seinen Hals.
    Ich machte mir eine Notiz, die Wärter von der Selbstmordgefahr zu unterrichten. »Mach das nicht noch mal, Rand.«
    »Tut mir leid.«
    »Du hast ein schlechtes Gewissen deswegen, was mit dem kleinen Kind passiert ist.«
    Keine Antwort.
    »Du hast zugesehen, wie Troy das kleine Mädchen gewürgt und geschlagen hat, und wenn du daran denkst, tut es dir richtig leid.«
    Irgendein Radio spuckte eine Hip-Hop-Nummer aus. Von weitem hörte man Schritte, aber niemand kam näher.
    Ich sagte: »Du hast ein schlechtes Gewissen, weil du Troy zugesehen hast.«
    Er murmelte etwas.
    »Was sagst du da, Rand?«
    Seine Lippen bewegten sich lautlos.
    »Was ist, Rand?«
    Der Deputy, der mich begleitet hatte, schlenderte herbei, überprüfte die Zelle und ging weiter. Noch waren keine fünfzehn Minuten vergangen. Das

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