Bluttrinker (German Edition)
gellte in ihren
Ohren. Ihrer?
Noch leidenschaftlicher drängte sie sich ihrem Liebhaber entgegen, der Wärme,
die sie einhüllte und bedeckte, bis die Welt in einer Explosion aus Hitze und
Lust verging.
Dann schlief sie ein, so tief, dass es einer Bewusstlosigkeit gleichkam.
Verführerischer Kaffeeduft erfüllte das fremde Wohnzimmer.
Der kleine, runde Esstisch, an dem Nora saß, stand vor einer fast hinter
Grünpflanzen verborgenen Fensterfront. Sie hatte sich in einen violetten
Morgenmantel gehüllt, der über ihrem üppigen Busen spannte.
„Wie fühlst du dich heute Morgen?“ Noras forschender Blick glitt über Tony, die
ein viel zu großes Flanellhemd um sich gewickelt trug. Das Kleidungsstück war
das Erste gewesen, das ihr in die Hände fiel, als sie den Schlafzimmerschrank
ihrer unfreiwilligen Gastgeber öffnete. Tausend Fragen schwirrten ihr durch den
Kopf.
„Wo sind wir hier? Wem gehört die Wohnung?“
Nora ergriff eine Thermokanne und füllte einen Kaffeebecher.
„Setz dich erst mal. Der Kaffee ist leider koffeinfrei. Schwarzen Tee konnte
ich auch keinen finden.“
Tony nickte. Für sie selbst war das kein Problem, aber Nora vermisste ihre
gewohnte Dosis Wachmacher.
„Die Wohnung gehört einem älteren Ehepaar. Sie sind verreist. Auf die Kanaren,
glaube ich. Johann hat von den Nachbarn erfahren, dass sie erst im neuen Jahr
zurückkommen werden. Solange wir uns einigermaßen bedeckt halten, sind wir hier
sicher.“
Sie hielt ihr ein Brotkörbchen entgegen und Tony nahm sich eine Scheibe
Zwieback.
„Außer Marmelade und Zwieback ist nicht viel da.“
„Das macht nichts.“ Tony hatte keinen Hunger, nicht einmal Durst. Sehr
ungewöhnlich für sie, direkt nach dem Aufwachen.
So sehr Nora auch versuchte, mit Belanglosigkeiten von ihrer Anspannung
abzulenken, Frühstück war ihre geringste Sorge.
„Wo sind sie?“
„Sie sind aufgebrochen, sobald die Sonne unterging.“ Noras Seufzer klang
beinahe wie ein Schluchzen. „Sie müssen inzwischen das Hauptquartier erreicht
haben.“
„Was wollen sie dort alleine ausrichten?“
„Es gibt ein paar Verstecke in der näheren Umgebung, in denen Waffen und
Ausrüstungsgegenstände eingelagert sind. Für einen Fall wie diesen, wenn das
Hauptquartier erobert werden oder sonst wie in fremde Hände gelangen sollte. Es
gibt auch geheime Zugänge, die nur wenige Eingeweihte kennen. Natürlich hoffen
sie, dass die anderen Jäger sich auf ihre Seite schlagen, bevor die
Ratsgardisten sie entdecken.“
„Es ist gefährlich, nicht wahr?“
Lukas Mutter schüttelte den Kopf. „Lass uns nicht darüber nachdenken. Es führt
zu nichts. Wir können nur abwarten. Johann wird sich melden, sobald alles in
Ordnung ist.“
Dumpfer Ärger überkam Tony. Schon wieder waren sie und Nora
irgendwo abgeladen worden, zur Untätigkeit verdammt. Es war illusorisch, sie
vor den Gefahren, die der Beruf der Jäger mit sich brachte abzuschirmen, das
hatten die jüngsten Ereignisse deutlich genug gezeigt.
Tony griff nach ihrem Becher und nahm einen tiefen Schluck.
Sie betrachtete das kitschige Katzenmotiv, das die Tasse zierte.
Die Erinnerung an Schwäche, Gliederschmerzen und brennenden Schmerz, der jeden
Atemzug begleitete, überschwemmte sie, als hätte sich eine Schleuse geöffnet.
Noch nie in ihrem Leben hatte sie sich so elend gefühlt.
Das war erst ein paar Stunden her. Wie war das möglich?
Lukas Handgelenk an ihrem Mund. Metallischer Geschmack. Wundersame Linderung
und köstliche Erregung.
Heiße Röte machte sich in Tonys Wangen breit. Sie schob den Teller mit dem
Zwieback von sich.
„Er hat mich von seinem Blut trinken lassen!“
War sie jetzt eine Gefährtin? Hatte Lukas es einfach getan, ohne ihre Antwort
abzuwarten?
„Nur ein paar Tropfen“, beschwichtigte Nora. „Damit du gesund wirst.“
Warum verhielt Nora sich so schuldbewusst?
„Es ist eigentlich streng verboten.“
„Was ist verboten?“
„Sterblichen Blut zu verabreichen. Gefährtinnen sind die einzige Ausnahme.“
Tony horchte in sich hinein. Hatte sie sich körperlich je so fit gefühlt? Sogar
die Verspannungen in ihrem Rücken waren verschwunden.
„Dieses Blut könnte eine Menge Ärzte arbeitslos machen“, vermutete sie.
„Darum geht es nicht.“ Nora druckste herum. „Früher, in den alten Zeiten, haben
manche ihr Blut missbraucht, um Menschen von sich abhängig zu machen.“
„Abhängig? Du meinst, wenn jemand sehr krank war?“
„Abhängig wie von einer Droge. Es ging dir sehr schlecht, heute
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