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Bluttrinker (German Edition)

Bluttrinker (German Edition)

Titel: Bluttrinker (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Bender
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bist gar nicht mehr für uns zuständig“,
schrie er.
„Du solltest besser die Klappe halten“, zischte Lukas. „Wenn deine Mutter Ole
nicht angefleht hätte, unsere Bestrafung Jeremias zu überlassen, würdest du
nicht sechs Stunden, sondern bis Sonnenuntergang braten.“
Jans Hautfarbe wurde, wenn das überhaupt möglich war, noch blasser. Peter
schwieg, aber sein Blick sprang weiter hasserfüllt zwischen Jeremias und Lukas
hin und her.
    „Bringt sie raus“, wies der Jäger die Wachen an. „Die Angst
ist bei beiden die Gleiche“, bemerkte er, als er wieder mit Lukas alleine war.
„Sie gehen nur unterschiedlich damit um.“
„Ich habe dein Urteil über mich noch nicht gehört.“ Lukas Stimme klang nicht so
fest, wie er es sich wünschte. Dass man ihre Bestrafung Jeremias überlassen
hatte, konnte seiner Ansicht nach nur einen Grund haben. Gewiss hatten die
andern Jäger auf ihre Hoheitsrechte verzichtet, um Johann die Bürde zu
ersparen, den eigenen Sohn zu verurteilen.
    Jeremias fläzte sich hinter den Schreibtisch. Die Füße legte
er auf einem Stapel Papiere ab, auf denen Lukas das Wappen der Jäger erkennen
konnte.
„Glaubst du denn, dass du Strafe verdient hast?“
Lukas war sich sehr bewusst, dass der Jäger aufmerksam jede seiner
Gefühlsregungen studierte.
„Es hätte nicht so weit kommen müssen, wenn ich richtig reagiert hätte.“
Es fühlte sich erstaunlich befreiend an auszusprechen, was ihn seit Nächten
verfolgte. Vermutlich war das so, wenn man ein Geständnis ablegte.
„Wäre es mir um das Wohl der Mädchen gegangen, hätte ich das auch getan. Aber
ich dachte nur daran, Ricardo irgendwie zur Vernunft zu bringen. Ihm zu helfen,
die Sache auszubügeln, ohne dass wir Ärger bekommen. Ich habe mich benommen,
als ginge es nur darum, einen dummen Streich zu vertuschen. Als ich endlich
einsah, was vor sich ging, war es zu spät. Ich bin auf jeden Fall mitschuldig
am Tod der Mädchen. Die Blutgier stand Ricardo deutlich genug im Gesicht. Ich
wollte es nicht wahr haben.“
    Er blinzelte erstaunt, denn Jeremias lachte.
„Ich habe jedem deiner Kameraden dieselbe Frage gestellt. Sie alle haben die
Gelegenheit genutzt, um sich herauszureden, abzuwiegeln, oder sich sonst wie zu
verteidigen. Du nimmst mir meine Arbeit ab und klagst dich selbst an.“
Lukas zuckte mit den Schultern. Darauf wusste er keine Antwort.
„Na schön.“ Jeremias hob die Füße vom Tisch. „Welche Strafe hältst du für
angemessen?
Lukas starrte den Jäger einen Herzschlag lang ungläubig an. Dann antwortete er,
ohne lange zu überlegen.
„Was die Anderen auch bekommen haben.“ Die Angst vor dem, was ihm bevorstand,
machte seine Stimme kratzig. „Sechs Stunden.“
Jeremias wartete, als wollte er ihm Gelegenheit geben, seine Worte
zurückzunehmen. Schließlich nickte er.
„Wie du es für richtig hältst.“
Er gab den Wächtern, die eben wieder hereinkamen, einen Wink.
    Niemand musste Lukas festhalten. Er zog sich selbst aus und
ging aufrecht zwischen zwei Wächtern nach draußen, die sorgfältig seine
Handgelenke und Fußknöchel an einen der Rahmen ketteten.
    Jan, der neben ihm angebunden stand, schüttelte den Kopf.
„Tut mir echt leid, Mann“, sagte er leise.
Als die Wachen im Gebäude verschwanden, ließ die aufgehende Sonne die ersten
Wolkenfetzen rotgolden aufleuchten.
     
    Die Morgendämmerung wirkte auf Lukas Haut wie ein
Heißluftgebläse, das langsam aber stetig wärmer wurde. Direkte
Sonneneinstrahlung hätte sofort Verbrennungen verursacht. Das schattige
Tageslicht bewirkte zunächst nur ein Gefühl der Hitze. Innerhalb einer halben
Stunde wurde aus der leichten Reizung ein ernsthafter Schmerz, der sich
kontinuierlich steigerte.
    Obwohl Lukas seine Augen längst gegen die Strahlung
geschlossen hatte, durchdrang glutrote Helligkeit seine Lider. Sein
ausgeprägtes Körperbewusstsein und der empfindliche Tastsinn nützten dem
nächtlichen Räuber, der er war. Im Licht der Sonne richteten sich diese
Eigenschaften gegen ihn. Er spürte so deutlich, wie sich die Verbrennung durch
die Schichten seiner Haut fraß, als beobachtete er den Vorgang mit einem
Mikroskop. Es ging nicht nur um den Schmerz. Schmerzen vermochte seine Spezies
wesentlich besser zu ertragen als Menschen. Dieses Bewusstsein der
fortschreitenden Schädigung verursachte ein Gefühl urzeitlicher Angst, die kaum
zu beherrschen war. Die Notwendigkeit, das Tageslicht zu fliehen, lag tief in
der genetischen Programmierung seiner Art verankert.
    Bald

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