Bluttrinker (German Edition)
sichern.
Die beiden jungen Männer und drei Frauen versammelten sich auf seinen mentalen
Befehl hin im Warteraum. Für einen unbeteiligten Beobachter wäre es ein äußerst
bizarres Bild gewesen.
Die Sterblichen saßen wie aufgereiht auf einer unbequemen Bank aus Lochblech.
Einer nach dem andern standen sie auf und gingen zu Lukas. Sie alle neigten
gehorsam den Kopf zur Seite und schoben Haare und Kleidung aus dem Weg, um dem
Bluttrinker leichten Zugang zu ihrem Hals zu gewähren.
Diese Sterblichen reisten billig, schliefen zu wenig, ernährten sich schlecht
und schleppten zu viel Gepäck mit sich herum. Lukas wollte sie nicht unnötig
schwächen. Er entnahm jedem seiner fünf Opfer nur ein paar Schlucke.
Während er inmitten des tristen Warteraumes stand und seine
Blutquellen zu sich dirigierte, war Lukas bewusst, dass die beiden Wächter zu
dem, was er hier tat, gar nicht in der Lage wären. Er beherrschte sechs
Menschen gleichzeitig, während er sich von Fünfen von ihnen nährte.
Schließlich war Lukas Durst gestillt. Er hatte seinen Wirten
insgesamt einen guten Liter Blut entzogen. Damit sollte er bis zum Wochenende
durchhalten. Tatsächlich fühlte er sich träge und übersättigt. Doch diese
unpersönliche Art des Blutkonsums brachte Probleme mit sich, die Lukas
zunehmend zu schaffen machten.
Der Hunger eines Bluttrinkers konnte langfristig nicht mit Blut alleine
befriedigt werden. Der sexuelle Kontakt war auf Dauer unerlässlich. Verzichtete
er auf den körperlichen und emotionalen Austausch, kehrte der Hunger
unweigerlich schneller und heftiger zurück.
Bevor Lukas Tony begegnete, hatte er damit relativ wenig Probleme gehabt.
Tatsächlich kam es ihm über immer längere Zeiträume vor, als bräuchte er gar
keinen Sex.
Nicht, dass er sich daran gestört hätte. Er verbuchte es unter den übrigen
Eigenheiten seiner extremen telepathischen Begabung.
Seine zunehmende Fixierung auf Tony verschärfte das Problem.
Niemand außer ihr schien noch in der Lage, seinen Durst wirklich zu stillen. Er
befürchtete, selbst die eben aufgenommene Blutmenge würde nicht lange
vorhalten.
Lukas verdrängte diese Gedanken, die allzu schnell in
Selbstmitleid umschlugen. Er befahl den jungen Leuten im Warteraum zu bleiben,
bis ihr Zug kam. Draußen war es kalt für die Jahreszeit. Zuletzt steckte er
jedem etwas Geld in die Tasche, mit der Anweisung, es für ein Frühstück auszugeben.
Den Wachmann wies er an zu verschwinden.
Sie erreichten das Hauptquartier lange vor der
Morgendämmerung als erstes Team. Daher hatten sie die zweifelhafte Ehre, von
einem Karol in Empfang genommen zu werden, dem sich eine tiefe, blutverkrustete
Wunde von der rechten Wange, über den Hals bis zum Schlüsselbein zog.
Matthias schaffte es zuerst aus dem Wagen zu springen,
obwohl er noch den Motor ausschalten musste.
„Dieser dusselige Sergej war zu faul die Tür von Breitners Zelle hinter sich
abzuriegeln.“ Mühsam unterdrückte Wut ließ die Stimme des Wächters rau klingen.
„Er dachte wohl, der Kerl könnte sich eh nicht rühren. Jedenfalls hat Breitner
dem dummen Bengel einen Stuhl über den Schädel gezogen und ist getürmt.“
„Zum Teufel, Karol!“
„Ganz ruhig. Im Moment sitzt er wieder sicher hinter Schloss und Riegel. Hatte
sich in der Werkstatt verschanzt, bevor ich dahinter kam, was da los war.“ Er
deutete auf seine Wunde. „Das stammt von einem scheiß Schraubenzieher!“
Er schien äußerst empört darüber, mit einem ansonsten harmlosen Gegenstand
verletzt worden zu sein.
Lukas erinnerte der Vorfall vor allem daran, dass alles, was
sie im Moment taten, lediglich Schadensbegrenzung darstellte. Das eigentliche
Problem, der Bluttrinker namens Breitner, war noch ungelöst.
26
Die ausländischen Jäger fanden sich gegen Mitternacht in
Frankfurt ein. Jeremias war der Erste der, gefolgt von vier seiner Assistenten,
durch die Gänge des Hauptquartiers stürmte. Lukas traf in den labyrinthischen
Fluren auf die Männer, die er durch seine Ausbildung in der Burg kannte.
„Ich freue mich, dich wieder zu sehen.“ Der Jäger ergriff im
Vorbeilaufen seinen Arm. Lukas sah sich genötigt, an der Seite seines
ehemaligen Lehrers Richtung Konferenzraum zu eilen.
„Ich muss zugeben, ich bin erstaunt. Soweit ich mich erinnere hat noch nie
jemand ein Jobangebot in meiner Truppe ausgeschlagen.“
Lukas bemerkte, dass Sergej ihnen in einigem Abstand
hinterher schlich. Seit der Bulgare einen Tadel für sein
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