Blutwurstblues. Ein Mick-Brisgau-Krimi: Der große Roman mit dem Team von Der letzte Bulle (German Edition)
langsam warm, doch da nahm er aus dem Augenwinkel eine Gestalt im Türrahmen wahr, die sich jedoch rasch wieder entfernte. Er konnte nur vermuten, dass es sich dabei um Schreiners Frau Lena handelte. Wahrscheinlich war sie gerade nach Hause gekommen und auf die lebhafte Auseinandersetzung im Arbeitszimmer aufmerksam geworden. Dennoch wunderte Mick das Verhalten. Warum versuchte sie, sich unsichtbar zu machen, anstatt ihrem Mann beizustehen?
Andreas übernahm. »In jedem Fall hat sich der Skandal nicht gut auf Ihre Verkaufszahlen ausgewirkt«, stellte er fest und zwang Paul Schreiner so wenigstens zu einem teilweisen Eingeständnis.
»Natürlich war die ganze Angelegenheit nicht gut fürs Geschäft und ja, wir haben Federn gelassen. Trotzdem! Was Sie da andeuten, ist einfach nur absurd!«
»Nun, was hier absurd ist und was nicht, das müssen Sie schon mich und meinen Partner beurteilen lassen … ähm … Mick?«
Andreas bemerkte erst jetzt, dass Mick bereits auf dem Flur war. Auch Paul Schreiner schien etwas irritiert. Andreas zuckte entschuldigend die Schultern. »Sucht sicher nur das Klo. Schwache Blase.« Schreiner sah nicht so aus, als ob er diese billige Ausrede kaufen würde, und machte Anstalten, Mick nachzusetzen. Andreas stellte sich ihm in den Weg. »Erzählen Sie doch noch mal, wo genau es zwischen Ihnen und Ihrem Stiefsohn gehakt hat.«
»Wer zum Henker braucht so viele Zimmer?«, murmelte Mick vor sich hin, während er den langen betonverputzten Flur hinunterlief, von dem unzählige Türen abgingen. Es war wirklich nicht leicht, sich in dem Wohnhaus zurechtzufinden. Mick war auf dem Weg zurück in Richtung Foyer. Hier meinte er schon beim ersten Besuch eine Treppe gesehen zu haben, die vermutlich in die oberen Gemächer führte. Mick fragte sich gerade, wie zwei Menschen sich auf gefühlten 500 Quadratmetern überhaupt wiederfanden, als ihn ein Rumoren aufhorchen ließ. Er konnte es nicht genau zuordnen, doch im Foyer angekommen, war er sich sicher, dass es aus dem oberen Stockwerk kam. Weder von der Eingangstür rechts noch vom Wohnzimmer links war irgendetwas zu hören. Im Erdgeschoss war alles ruhig.
Mick durchquerte das Foyer und stieg, so leise es auf der Betontreppe überhaupt möglich war, die Stufen hinauf. An der Wand neben der Treppe hingen blau gesprenkelte Bilder, die aussahen, als hätte halb Schlumpfhausen auf die Leinwand geniest.
Oben fand sich Mick auf einer Empore wieder. Von hier wirkte das Foyer erst recht wie ein unwirtlicher Ort. Die Empore selbst war offenbar Niemandsland. Kein Möbelstück, kein Bild. Nur acht Türen. Alle waren geschlossen. So schien es zumindest, doch bei genauerem Hinsehen erkannte Mick, dass eine Tür nur angelehnt war. Er öffnete sie vorsichtig, und einmal mehr hatte ihn sein Instinkt nicht getrogen. Auch wenn das Bild, das sich ihm nun bot, anrührend war.
Mick stand inmitten eines Jugendzimmers, offensichtlich Thomas’ Behausung, bevor er zu seinem Großvater gezogen war. Eins konnte man festhalten: Man hatte Thomas den Zucker in den Arsch geblasen. Auf den langen Regalen an der linken Wand stand alles, was ein Jungenherz begehrte: Flachbildschirm, DVD-Spieler, Blu-ray, Playstation, digitale Spiegelreflexkamera. Dazwischen Unmengen von Star-Wars - und Herr-der-Ringe -Figuren.
Auf der rechten Seite des Raums prangte ein großes Poster mit einem Bikinimodel von H&M. Mick hatte die Dinger schon öfters in Jugendzimmern gesehen. Anscheinend handelte es sich dabei um so was wie den inoffiziellen Nachfolger des Bravo-Starschnitts, der früher ja auch an keiner Wand fehlen durfte. Links neben dem Poster war der Schreibtisch, der wie ein Apple-Store im Miniaturformat aussah und so ziemlich alles zu bieten hatte, was ein »i« im Namen trug.
Aber das war noch nicht alles. In die Wand gegenüber der Tür, ganz untypisch für den Rest des Bunkers, war ein großes, quadratisches Fenster eingelassen, das den Blick auf den Garten freigab.
Was Mick jedoch rührte, fand sich auf dem Boden des Zimmers. Hier standen vier halbgefüllte Umzugskartons, und inmitten der Kartons saß Lena Lobwohl im Schneidersitz. Sie hatte angefangen, das, was von ihrem Sohn geblieben war, in Kisten zu verstauen. Sie hielt einen beinahe mannsgroßen Teddy in den Armen. Die Art, wie sie mit ihm leicht vor- und zurückschwang, erinnerte schon fast an einen Autisten. Lena hielt die Augen geschlossen und hatte Mick anscheinend noch gar nicht bemerkt. Er überlegte einen Moment, ob er
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