Blutzeichen: Deadly Sins 2 - Roman (German Edition)
mehr über das Paranormale als er. Er hatte nicht an etwas so Furchtbares geglaubt, bis er Susans Abscheulichkeiten bezeugte. Nun war ihm klar, dass sie ohne Gewissen geboren war. Eine andere Erklärung für ihr Handeln gab es nicht.
Er hatte den Kelch gestohlen.
»Ich habe alles, was ich will, weil ich das Wissen besitze«, erklärte Susan. »Ich habe Macht. Ich brauche den Kelch, den du mir gestohlen hast.«
Er zögerte. Susan sang in uraltem Latein, dann sagte sie: »Kali, die Seele von William Burns wurde versprochen und wird dir von deiner Geliebten geschenkt. Nimm dir, was du willst!«
William schrie, als der Sukkubus ihm mit einem Kuss die Seele aus dem Leib sog, bis er starb. Es dauerte fast eine Minute, während der Samuel um Rettung betete, Gott anflehte, den Wahnsinn zu stoppen.
Gott antwortete nicht. Stattdessen lachte Susan. Ihre Tochter im Teenageralter, die alles fasziniert beobachtet hatte, die Vergewaltigungen und den Seelenraub, sprach eine Zauberformel, die den Dämon entließ. Wendy war solch ein niedliches Kind gewesen.
»Mein Kelch, Samuel! Sofort, sonst stirbt Tessa als Nächste …«
»Raphael Cooper!« Moira versetzte ihm einen Klaps. Sie klang streng und sorgenvoll.
Rafe schüttelte den Kopf, wollte seine Vision vertreiben. Samuel Ackerman war vor drei Monaten in der Mission Santa Louisa de los Padres ermordet worden. Warum war das wichtig? Wieso erinnerte er sich gerade jetzt daran?
»Rafe, bitte!«
»Entschuldige«, murmelte er, während er bemüht war, die entsetzlichen Bilder loszuwerden. Immer noch hörte er die Schreie von William Burns, der geopfert wurde.
»Hör mal!«, flüsterte sie.
Rafe schwieg. Sie standen draußen vor den geöffneten Türen. Drinnen rührte sich nichts, und außer dem Ticken der Standuhr oben am Eingang war nichts zu hören.
Moiras Hand legte sich fester um ihren Dolch.
»Was ist?«, fragte Rafe tonlos.
Sie schüttelte unsicher den Kopf, doch Rafe vertraute ihrem Instinkt. Er bedeutete ihr, dass sie gehen sollten, doch wieder verneinte sie stumm und stieß ihre Tür weiter auf.
Rafe leuchtete mit seiner Taschenlampe hinein, fand einen Lichtschalter mit Dimmer und stellte die niedrigste Stufe ein.
Es war ein langer Raum, dreimal so groß wie das Büro. Eine Wand bestand aus drei Glasschiebetüren. Der Weihrauchgeruch wurde intensiver, wie auch der von frischem Kerzenwachs. Überall standen Kerzen, schwarze und weiße, und in der Mitte, unter einer Geisterfalle, die in Schwarz an die Decke gemalt war, befand sich ein Hexagramm, in dessen sechs Dreiecken jeweils eine einzelne schwarze Kerze stand. Alles sah der Falle, die Fionas Hexenzirkel benutzte, um die sieben Todsünden zu befreien, viel zu ähnlich.
In dem Raum war hinreichend Platz für ein paar Dutzend Leute. Bequeme Möbel, modern und feminin, waren so aufgestellt, dass man sich dort unterhalten oder die Aussicht genießen konnte. Durch die Panoramafenster blickte man auf das funkelnd erleuchtete Los Angeles Valley.
Moira sah sich rasch um, ehe ihr Blick bei den Doppeltüren am anderen Ende verharrte.
»Mo–«
Sie unterbrach Rafe, indem sie sehr leise flüsterte: »Da drinnen ist ein Dämon.«
Rafe gefror das Blut in den Adern. »Verschwinden wir!«
»Nein, das ist unsere Chance. Wir fangen ihn ein und nehmen ihn mit.«
»Ich habe noch nie erlebt, dass ein Dämon friedlich gegangen ist.«
»Sag Jackson, dass er reinkommen soll! Wir verschließen die Türen und halten sie so lange wie möglich zurück.«
»Moira …«
»Rafe, wir dürfen ihn nicht entkommen lassen!« Sie biss sich auf die Unterlippe, sah zu der Tür und verengte ihre Augen.
Sie hatte recht, nur hatte Rafe nicht erwartet, heute Nacht einem Dämon gegenüberzutreten.
»Ich hole Jackson.« Rafe lief wieder hinaus.
Moira schlich zu den Türen gegenüber, entspannte ihre Sinne und tastete nach der Magie und dem Bösen, die den Raum ausfüllten. Sie atmete betont langsam und konzentrierte sich auf den Dämon hinter den Türen.
Von dem Moment an, da sie das Haus betreten hatte, spürte sie, dass etwas nicht stimmte. Dieses Gefühl hatte auf dem Weg die Treppe hinunter merklich zugenommen, und kaum war Moira in diesen Raum gekommen, hatte sie es gerochen: Höllengestank. Genau hier gab es ein Portal in die Unterwelt.
Der Dämon Neid konnte beliebig seine Gestalt wechseln, von Mensch zu Bestie und jeder erdenklichen Zwischenform. Ihn einzufangen hatte sie alle fast das Leben gekostet. Und Moira befürchtete, dass es
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