Blutzeichen
Veranda hinauf. Dabei wünschte ich, ich würde das beruhigende Gewicht der Glock in der Tasche meiner Lederjacke spüren. Doch aller Wahrscheinlichkeit nach würde ich sie nicht brauchen. Nach dem, was ich gestern beobachtet hatte, lebten Rufus und Maxine Kite geruhsam und zurückgezogen.
Während ich an die Tür klopfte, nahm ich den Geruch von verbranntem Holz wahr. Als ich aufschaute, sah ich eine dünne, graue Rauchwolke aus dem Schornstein aufsteigen.
Ich klopfte erneut.
Eine Minute verging.
Niemand kam an die Tür. Ich umfasste den angelaufenen Türknauf und stellte überrascht fest, dass er sich drehen ließ.
Die breite Eichentür schwang auf.
34. Kapitel
Ich betrat das Haus von Rufus und Maxine Kite und schloss die Tür hinter mir. Da ich nicht in der Absicht gekommen war, dieses Haus uneingeladen zu betreten, schrie mich der risikofeindliche Teil in mir an, ich solle mich schleunigst wieder aus dem Staub machen.
Ich rief: »Ist irgendwer zu Hause?«
Zu meiner Rechten führte ein Bogengang direkt in ein lang gestrecktes Wohnzimmer mit einem Kamin an der gegenüberliegenden Wand, auf dessen Rost ein Bett aus glühenden Kohlen leuchtete.
In der Ecke ragte eine Standuhr auf. Der Minutenzeiger bewegte sich alle vier Sekunden.
Ich schaute nach links in das Esszimmer, in dem ein für drei Personen gedeckter Tisch stand. Als ich die Untertasse eines Gedecks berührte, wirbelte mein Finger eine alarmierende Staubschicht auf, die auch die Böden der Weingläser, die Teller und sogar die vergilbte Tischdecke bedeckte.
Überall hingen Spinnennetze.
Ich drang weiter ins Haus vor, vorbei an einer Treppe, die in die Dunkelheit führte. Die Eingangshalle verjüngte sich zu einem Flur und unter der Treppe bemerkte ich eine kleine Tür in der Wand.
Die Luft wurde immer feuchter und abgestandener und roch nach Schimmel und Moder.
Ich betrat die Küche.
Durch die Fenster über der Spüle konnte ich die Meerenge sehen. Auf dem Küchentisch lagen eine Reihe graubläulicher Filets und auf einem Schneidebrett lag ein Filetiermesser mit einer dünnen Klinge. Daneben stand ein gläserner, zur Hälfte mit Maismehl gefüllter Messbecher.
Während ich mich über die Spüle lehnte, betrachtete ich den von Unkraut überwucherten hinteren Teil des Gartens, der bis ans Wasser reichte. In der Nähe des Hauses gab es eine Parzelle mit umgepflügter Erde, die vielleicht einmal als kleiner Nutzgarten gedient hatte, auf der jetzt aber nichts mehr wuchs.
Ein verrotteter Steg führte hinaus in den Sund, vermutlich würde er beim nächsten Sturm zusammenbrechen.
Geh jetzt und komm wieder. Du solltest nicht einfach so hier sein.
Ich drehte mich um, um zurück zur Haustür zu gehen.
Eine winzige, alte Frau stand in der Küchentür.
Sie schien gerade erst aufgewacht zu sein. Ihr weißgraues Haar war so durcheinander, als hätte sie gerade eine Explosion und keinen Mittagschlaf hinter sich. Unter dem abgenutzten Stoff ihres Nachthemdes konnte ich die Konturen ihres zerbrechlichen Körpers erkennen.
Barfuß kam sie in die Küche, öffnete einen Schrank und holte eine Dose gemahlenen Kaffee heraus.
»Gut geschlafen?«, fragte sie.
»Ähm, ich, ähm – «
»Du stehst mir im Weg. Setz dich hin.«
Ich setzte mich an den Tisch, während sie die Kaffeekanne mit Leitungswasser füllte. »Ist das nicht ein moderner Mist?! Wenn du jetzt auch zu diesen feinen Pinkeln gehörst, die ihren Kaffee nur aufgebrüht, frisch gemahlen und Gott weiß noch wie trinken, dann sag es mir jetzt.«
»Pulverkaffee reicht mir völlig.«
Mrs Kite bemerkte die Filets auf dem Schneidebrett.
»Verflucht sei er!«
Sie stellte die Kaffeekanne schwungvoll auf den Schneideblock und zeigte auf den rohen Fisch.
»Rufus wird unser Mittagessen ruinieren. Man darf Fisch nicht draußen lassen. Man DARF! FISCH NICHT! DRAUSSEN LASSEN!« Sie seufzte. »Dein Kaffee wird warten müssen, Luther.«
Sie setzte sich mir gegenüber an den Küchentisch und hob eins der Fischfilets auf.
»Ich glaube es nicht«, sagte sie. »In diesem Maismehl ist kein Chilipulver. Weißt du, ich glaube langsam, dein Vater weiß nicht, wie man Makrelen brät. Und abgesehen davon soll man Makrelen gar nicht braten.«
Sie ließ das Filet fallen und stand auf. Sie holte eine kleine Plastikflasche vom Gewürzregal auf der Anrichte und kehrte zu ihrem Stuhl zurück. Nachdem sie die halbe Flasche Chilipulver in das Maismehl geschüttet hatte und die Mischung mit dem Finger umgerührt
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