Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Blutzeichen

Titel: Blutzeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Crouch
Vom Netzwerk:
schälen?«
    »Ja.«
    Maxine tätschelte zärtlich seine blassen, hohlen Wangen und hob die leeren Gläser hoch.
    Sie sagte: »Junge, ich dachte, ihr wolltet euch um die Autos von Andrew und dieser Kommissarin kümmern?«
    »Ich habe sie heute Morgen beide rüber zum Parkplatz des Pony Island Hotels gefahren.«
    »Ah, gut. Darf ich mir eine Bemerkung über den kolossalen Zeitaufwand erlauben, den ihr hier für den Stuhl verschwendet?«
    Rufus stand auf und wischte seine weißen Haarsträhnen nach hinten.
    »Nun aber mal langsam, Liebes. Ist es etwa Zeitverschwendung, Stunden mit der Zubereitung eines leckeren Mahls zu verbringen? Du musst dir das hier als eine exquisite Mahlzeit vorstellen. Es dauert etwas länger, aber am Ende lohnt es sich allemal. Und es ist ja auch kein Wegwerfartikel. Wenn das Ding hier erst mal fertig ist, mein Gott, dann wird es ewig halten. Außerdem bin ich glücklich. Hier unten mit meinem Jungen zu arbeiten. Erinnerungen aufzufrischen.«
    Maxine meinte: »Nun denn, ich werde mal die Gäste abspeisen und sie ihr Geschäft erledigen lassen. Es ist lustig – Andrew hält mich immer noch für senil, nachdem ich ihm die Alzheimernummer vorgespielt habe.«
    Sie verschwand im dunklen Gang.
    Rufus reichte Luther eine Hand und zog ihn hoch.
    »In Ordnung, Sohn. Sollen wir für heute Schluss machen, wenn du die Kupferplatten auf die Armstützen geschraubt hast? Dann helfe ich dir und Mutter, die Schrimps zu schälen.«
     
    Der Keller erstreckt sich über die gesamte Länge und Breite des einhundertsechsundachtzig Jahre alten Hauses, was auf dieser Insel einmalig ist, da die meisten Häuser etwa einen Meter über dem Grund erbaut wurden, um sie nach Sturmfluten und Wirbelstürmen vor dem Überfluten zu schützen. Daher hat dieser Keller seit der Erbauung des Hauses bereits mehrere Male unter Wasser gestanden.
    In den 1830er Jahren diente er als Sklavenquartier.
    Zur Jahrhundertwende war er Unterkunft für Bedienstete.
    In den 1920er Jahren wurde er als einer der größten Weinkeller North Carolinas genutzt.
    Vor zehn Jahren hatte Rufus in einigen der Räume und Gänge Strom verlegt.
    Der Rest wird, wenn überhaupt, mit Hilfe von Kerzen erhellt.
    In einem der Räume sind die Steinwände bis zur Decke schwarz verkohlt.
    In einem anderen Raum ist der Fels burgunderrot gefleckt.
    Obwohl Luther hier unten eine Menge Zeit verbracht hat, verliert er gelegentlich immer noch die Orientierung, vor allem, wenn er sich in die zahllosen Räume in der Nähe der Treppe wagt, ein Irrgarten verwirrender Gänge, in denen bis vor achtzig Jahren Weinregale an den Wänden standen. In einigen Winkeln und Ecken liegen noch immer zerbrochenes Glas und Korken herum.
    Nun schleicht Luther lautlos durch den pechschwarzen Gang und tastet sich an den Wänden entlang. Oben sind seine Eltern damit beschäftigt, das Essen vorzubereiten. Er wird sich in Kürze zu ihnen gesellen.
    Schließlich spürt er unter seinen Fingern den Durchbruch in der Wand – der gewölbte Nebenraum, in dem Andrew und die Frauen warten.
    Luther hält inne, lehnt sich gegen den Stein und lauscht.
    Niemand spricht. Er hört Atmen. Ketten rasseln.
    Die kleine Blondine ist so gefesselt, dass sie mit dem Gesicht zum Durchgang sitzt. Vielleicht wird er morgen wiederkommen, wenn das Licht hereinscheint und er sie aus dem Schatten heraus beobachten kann. Doch momentan reicht es ihm, zu wissen, dass sie dort sitzt, nur ein, zwei Meter entfernt, und die Dunkelheit mit ihm teilt.

53. Kapitel
     
    Horace Boone bog von der Kill Devil Road ab und parkte seinen Kia im Sand hinter einem Yauponstrauch. Er griff nach hinten und holte die Taschenlampe vom Rücksitz, die er am frühen Nachmittag in Bubbas Camping- und Angelladen gekauft hatte.
    Es war beinah zehn Uhr abends. Ein kalter und strahlender Novembermontag; am Himmel waren so viele Milchstraßen und Sterne zu sehen wie schon seit drei Jahren nicht mehr. Er packte sein wertvolles lila Notizbuch in einen kleinen Rucksack, stieg aus dem Wagen, schloss die Tür, trat auf die Straße und mit den schwarzen Jeans, den Bergstiefeln und dem schokoladenfarbenen Fliespullover tauchte er nahtlos in der Dunkelheit unter.
    Die Nacht war windstill und der erste beißende Frost des Jahres begann die Grasspitzen und Büsche weiß zu färben. Er ging am Briefkasten vorbei, die schattige Zufahrt entlang, deren Dach aus immergrünen Eichen und Flechten den Sternenhimmel abschirmte. Horace hätte beinah die Taschenlampe

Weitere Kostenlose Bücher