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Blutzeichen

Titel: Blutzeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Crouch
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eingeschaltet, kam dann aber zu dem Schluss, dass es schlauer war, unangekündigt zu erscheinen.
    Er brach aus dem Gehölz hervor und plötzlich wurde das Haus der Kites sichtbar – zerbröckelnde Fassaden und orangefarben erhellte, rechteckige Fenster erhoben sich vor dem schwarzen Wasser des Sunds. Andrew Thomas war vergangene Woche zweimal hier gewesen, vermutlich auf der Suche nach Luther Kite. Bevor Horace Ocracoke verließ und seinen Traum aufgab, wollte er aus unerklärlichen Gründen ein einziges Mal selbst das Haus in Augenschein nehmen.
    Er kroch den Rand des Eichendickichts entlang, bis er sich gegenüber der Längsseite des Hauses befand. Der Garten war von hüfthohem Unkraut überwuchert. Er ließ sich auf den Boden fallen und kroch hindurch, eisige Halme strichen über seine Wangen.
    Der Mond kam aus den Eichen hervor und beschien den Strand.
    Horace kroch bis an eine der Ecken des gewaltigen Steinhauses. Er stand auf und berührte mit den Handflächen den mit rauen, gefrorenen Flechten überzogenen Granit. Nach zwei Schritten konnte er durch ein hohes, schmales Fenster spähen. Der Raum war dunkel und leer. Leere Bücherregale. In einer der hinteren Ecken leuchtete Glut.
    Horace kroch auf die andere Seite der Freitreppe und kniete schließlich unter dem einzigen beleuchteten Fenster des Erdgeschosses. Er hockte sich auf den sandigen Boden, um sich auszuruhen.
    Die Nacht schritt lautlos voran.
    Er schaute kurz hoch zu den Sternen, sein Atem dampfte jetzt im feuchten Südwind.
    Nachdem Horace Luft geholt hatte, drehte er sich zum Haus um.
    Er arbeitete sich langsam bis zur Fensterbank empor und warf einen Blick hinein.
    Sofort duckte er sich wieder, hockte sich mit dem Rücken zur Hauswand und ging in Gedanken durch, was er gerade gesehen hatte – ein Wohnzimmer, in den vom Kamin herrührenden Feuerschein getaucht, altmodische Möbel und einen blassgesichtigen Mann mit langen schwarzen Haaren, der ihm genau gegenüber auf einem Sofa saß und durch das Fenster ins Nichts starrte.
    Horace hörte Schritte. Er stand auf und starrte noch gerade rechtzeitig erneut durch die Scheibe, um zu sehen, dass der langhaarige Mann das Wohnzimmer verließ und in die Eingangshalle ging, in der er unter einer Treppe stehen blieb. Er nahm etwas von der Wand, langte nach vorn, öffnete eine kleine Tür und verschwand in die komplette Dunkelheit.
    Zwei Sekunden später traf es Horace wie einen Schlag – er dachte an Andrews Manuskript Bruderherz und an die Beschreibung von einem Mann mit langen, ebenholzschwarzen Haaren und blassen, glatten Wangen.
    Horace lächelte, auch wenn sich Angst in seine Erregung mischte – er hatte Luther Kite gefunden.
    Und plötzlich schoss es ihm durch den Sinn.
    Was, wenn Andrew die Insel nie verlassen hatte?
    Was, wenn Andrew Thomas und die Blondine tot waren?
    Horace setzte sich in den Schatten des Hauses der Kites. Zwanzig Minuten lang schaute er zu, wie der Mond aufging, und grübelte darüber nach, ob er den sicheren Weg wählen sollte – sofort abhauen und der Polizei Bescheid sagen – oder den leichtsinnigen Weg, der ihn vielleicht berühmt machte.
    Als Luther wieder aus der Tür unter der Treppe auftauchte, hatte sich Horace entschieden. Vom Fenster aus beobachtete er, wie Luther langsam nach oben ging. Kurze Zeit später erlosch auch das letzte Licht in der ersten Etage. Abgesehen von dem flackernden Feuerschein im Wohnzimmerkamin, war es nun im ganzen Haus dunkel und still.
    Horace stand auf, schlich lautlos auf die Freitreppe zu und stieg die vier Stufen bis zur Haustür empor. Seine Beine fühlten sich weich und wackelig an, trotzdem griff er nach dem Türknauf. Er drehte ihn, doch die schwere Tür ließ sich nicht öffnen. Er lehnte sich mit seinem ganzen Gewicht dagegen, stieß mit der Schulter gegen das Holz, doch die Tür bewegte sich nicht.
    Horace ging zurück in den Garten und lief durch das Dünengras ums Haus. Am Fuß des Schornsteins roch es intensiv nach verbranntem Holz. Auf der Nordseite gab es keine Fenster – nur eine Granitwand ragte in den Himmel auf.
    Der Mond stand hoch am Himmel, sein matter Schein erleuchtete den hinteren Garten. Vor ihm erstreckte sich der Pamlico Sound, ein schwarzer Abgrund, so still und glatt wie vulkanisches Glas.
    Horace ging auf die gepflasterte Terrasse zu, die einen atemberaubenden Blick auf das Meer bot, stieg die Stufen zur hinteren Tür empor und schaute durch die Scheibe in die Küche.
    Er zog an der Fliegengittertür. Sie

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