Bodenlose Tiefe
versuchte er schon, Lontana ausfindig zu machen, jetzt endlich hatte er seine Spur aufgenommen. Er hätte sich denken können, dass der Mistkerl sich in der Nähe von Marinth aufhalten würde.
Er brauchte also nur nach Cadora zurückzufahren, Lontana aufzuspüren und die verdammten Unterlagen an sich zu bringen.
Dann war er endlich am Ziel.
Ob Archer ihm geglaubt hatte?, überlegte Lontana.
Verdammt, er musste ihm glauben. Er konnte nicht zulassen, dass Kelby Marinth bekam. Wenn Archer Kelby schnell aus dem Weg räumte, war noch alles möglich.
Wie er Archers Rache entgehen würde, konnte er sich später noch überlegen. Wenn ihm Marinth erst in die Hände gefallen war, würde sich alles andere schon fügen.
Marinth.
Er verließ das Haus und ging zum Rand der Klippe.
Beim Anblick des Ozeans ließ seine Angst nach. Natürlich hatte Archer ihm geglaubt. Marinth zu finden war schon immer sein Schicksal und das Schicksal würde nicht zulassen, dass er um seinen Traum betrogen wurde. Marinth wartete auf ihn. Er konnte es beinahe hören.
»Lontana.«
Erschrocken drehte er sich um.
Schwarzes, im Nacken zu einem Zopf zusammengebundenes Haar, dunkle Augen, die ihn feindselig anstarrten.
Sein Herz begann zu rasen.
Panisch versuchte er zu fliehen. Ein Arm legte sich um seinen Hals.
Sekunden später war er tot.
Kelby half Nicholas aus dem Beiboot. »Würdest du die Güte haben, mir zu sagen, wo du gesteckt hast?«
»Vielleicht.« Er kletterte an Bord. »Wie geht es Melis?«
»Sie schläft. Sie war so erledigt, dass sie’s kaum ins Bett geschafft hat.« Kelby ließ seinen Blick nach Osten schweifen.
»Lontana?«
»Der arme Mann ist von der Klippe gestürzt und hat sich das Genick gebrochen.«
»Verstehe. Das hättest du nicht zu tun brauchen. Du warst nicht dafür verantwortlich.«
»Melis wollte nicht, dass du es tust. Und wenn sie später zu dem Schluss gekommen wäre, dass Lontana bestraft werden müsste, wäre es ihr sehr schwer gefallen, es selbst zu tun.« Er zuckte die Achseln. »Es war die logische Alternative.«
»Warum?«
»Der durchgeknallte Hurensohn wäre immer eine Gefahr für dich gewesen, solange du an Marinth dranbleibst.«
»Aber die hätte mir gegolten, Nicholas.«
»Eine Gefahr für meine Freunde ist auch eine Gefahr für mich.« Nicholas deutete ein Lächeln an. »Alte Schamanenweisheit.« Er wandte sich zum Gehen. »Gute Nacht, Jed. Schlaf gut.« Dann schaute er noch einmal über die Schulter.
»Sollen wir Melis von Lontanas traurigem Ableben erzählen?«
»Vorerst nicht. Sie hat in letzter Zeit genug durchgemacht.«
Nach kurzem Zögern sagte er knapp: »Danke, Nicholas.«
Nicholas nickte und ging.
Melis schlief geschlagene acht Stunden. Doch als sie aufwachte, fühlte sie sich wie unter Drogen – und einsam. Kelby hatte sie in den Armen gehalten, bis sie eingeschlafen war, aber jetzt war er nicht da.
Na ja, was hatte sie denn erwartet? Er war liebenswürdig zu ihr gewesen, aber er würde sie schließlich nicht ewig am Hals haben wollen.
Und sie wollte ihm auch keine Last sein. Sie hatte einen schweren Schlag hinnehmen müssen, aber jetzt musste sie sich wieder aufraffen und zurückschlagen.
Sie stand auf und ging ins Bad, um zu duschen. Zwanzig Minuten später stieg sie zum Deck hinauf. Nicholas war gerade dabei, Fische ins Meer zu werfen, er drehte sich um, als er sie kommen hörte. »Hallo. Sie sehen ja schon viel besser aus. Wie geht’s?«
»Ich fühle mich noch ein bisschen schwach. Aber ein ordentliches Frühstück wird mir sicher wieder auf die Beine helfen. Wie geht es Pete?«
»Er hat Hunger.« Nicholas warf Pete, der in der Nähe des Schiffes wartete, noch einen Fisch zu. »Der schnappt Susie alle Fische weg. Aber sie scheint sich nicht viel daraus zu machen.«
»Wie man sieht.« Susie rieb sich zärtlich an Pete. »Sie weiß, dass er verletzt ist.«
»Sollen wir ihn wirklich nicht an Bord holen, um ihn gesund zu pflegen?«
»Nein, das würde ihn garantiert umbringen. Kelby hat die Harpune aus seinem Körper gezogen und ich habe die Blutung gestoppt und ihm ein Antibiotikum verabreicht. Im Meerwasser wird die Wunde schneller heilen.«
»Als Sie ihn hergebracht haben, dachte ich, er würde es nicht überleben.«
Dasselbe hatte Melis auch gedacht. Das viele Blut hatte sie in Angst und Schrecken versetzt. Erst später war sie auf die Idee gekommen, dass es sehr nützlich sein würde, Archer gegenüber so zu tun, als wäre Pete tot und er hätte sie endlich
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