Bodenlose Tiefe
hierher?«
»Nur, wenn Sie es gestatten. Das ist Ihre Insel. Er kann auch in Tobago bleiben. Ich möchte ihn einfach in der Nähe haben.«
»Er soll ruhig herkommen. Das ist mir egal.«
»Da hat Cal aber was ganz anderes gesagt. Er meinte, Sie legten großen Wert auf Ihre Privatsphäre hier.«
»Ja, das stimmt. Aber manchmal geht es nicht danach, was einem am liebsten ist. Sie werden Lyons brauchen.«
»Ach ja?«
»Gute Nacht, Jungs«, rief sie den Delphinen zu. »Bis morgen früh.«
Die Delphine verabschiedeten sich mit lautem Geschnatter, dann verschwanden sie unter Wasser.
»Sie kommen nur wieder her, wenn ich sie rufe.«
»Warum nennen Sie sie Jungs, wo Susie doch ein Weibchen ist?«
»Als ich sie kennen lernte, haben sie mich nicht so nahe an sich rangelassen, dass ich ihr Geschlecht hätte erkennen können.
Delphine sind äußerst schnelle Schwimmer und ihre Geschlechtsteile sind gut verborgen, solange sie sie nicht benutzen. Damals hab ich mir angewöhnt, sie Jungs zu nennen.«
Sie stand auf. »Ich habe Kaffee aufgesetzt. Ich hole uns zwei Tassen.«
»Ich komme mit.«
»Nein, bleiben Sie hier.« Sie brauchte ein paar Minuten für sich allein. Gott, das alles widerstrebte ihr zutiefst.
Doch im Augenblick spielte das keine Rolle. Sie hatte eine Entscheidung getroffen und sie würde sich daran halten.
Als sie mit dem Kaffee auf einem Tablett zurückkam, stand er mit dem Rücken zu ihr und schaute in den Sonnenuntergang.
»Gott, ist das schön. Kein Wunder, dass Sie nicht von hier wegwollen.«
»Es gibt viele schöne Orte auf der Welt.« Sie stellte das Tablett auf den Tisch. »Und die meisten davon haben Sie wahrscheinlich schon gesehen.«
»Jedenfalls eine ganze Menge.« Er schenkte Kaffee ein und ging mit seiner Tasse an den Rand der Veranda.
»Aber manchmal wird auch ein schöner Ort hässlich. Kommt darauf an, was man dort erlebt. Ich hoffe, dass Ihre Insel immer so bleibt, wie sie ist.«
»Deswegen habe ich Phil gebeten, die Insel mit Sicherheitsanlagen zu schützen.«
»Cal sagt, Sie können die Stromspannung in dem Netz so hoch stellen, dass sie tödlich ist.« Er überlegte. »Und Sie haben diese Schutzvorrichtung schon angebracht, bevor diese hässlichen Dinge passiert sind. Offenbar haben Sie kein großes Vertrauen in die Polizei.«
»Die Küstenwache kommt immer erst, nachdem ein Verbrechen geschehen ist. Ich habe gelernt, dass man sich, wenn man unabhängig bleiben will, nur auf sich selbst verlassen kann.« Sie sah ihm in die Augen. »Haben Sie nicht dieselbe Erfahrung gemacht?«
»Doch.« Er hob seine Tasse an die Lippen. »Ich wollte Ihre Methoden nicht kritisieren. Es war nur eine Feststellung.« Er hielt ihrem Blick stand. »Also gut, wir haben über die landschaftliche Schönheit der Insel gesprochen, über Sicherheitsmaßnahmen und über Unabhängigkeit. Werden Sie mir jetzt sagen, warum ich hier bin?«
»Aber sicher. Ich werde Ihnen geben, was Sie haben wollen.
Was Sie alle haben wollen.« Sie holte tief Luft.
»Marinth.«
Er zuckte zusammen. »Wie bitte?«
»Sie haben mich richtig verstanden. Die antike Stadt, die Festung, den Schatz.« Ihre Mundwinkel zogen sich nach unten.
»Die Trophäe, die es wert war, Phils und Carolyns Leben zu opfern.«
»Sie wissen, wo Marinth liegt?«
»Ich weiß, in welcher Gegend es liegt. Bei den Kanarischen Inseln. Es gibt Hindernisse. Daher wird es nicht leicht werden.
Aber ich kann es finden.«
»Wie denn?«
»Das werde ich Ihnen nicht sagen. Es ist mir wichtig, dass Sie mich weiterhin brauchen.«
»Weil Sie mir nicht vertrauen.«
»Wenn es um Marinth geht, traue ich niemandem. Ich habe viele Jahre mit Phil zusammengelebt und die ganze Zeit hat er von Marinth geträumt. Er hat mir immer wieder die Legenden vorgelesen und mir von den Expeditionen erzählt, die unternommen wurden, um die untergegangene Stadt zu finden.
Er hat sein Schiff Last Home genannt, weil Hepsut auf den Wänden seines Mausoleums diese Bezeichnung für Marinth benutzt hat. Atlantis hat Phil längst nicht so sehr interessiert. Er war davon überzeugt, dass Marinth in technologischer und kultureller Hinsicht der Höhepunkt der damaligen Zivilisation war. Sein halbes Leben lang hat er damit zugebracht, die antike Stadt zu suchen.« Sie schaute aufs Meer hinaus. »Und dann, vor sechs Jahren, glaubte er die Stelle gefunden zu haben. Er hat seine Entdeckung geheim gehalten, weil er nicht wollte, dass andere Ozeanographen dort auftauchten. Er hat seine Crew
Weitere Kostenlose Bücher