Böse Dinge geschehen
Runde machen. Mit Schriftstellern reden. Wenn Sie noch sehr viel länger gewartet hätten, hätte mich das wirklich gekränkt.«
Mit einer kleinen Handbewegung forderte er Elizabeth auf, sich auf ein Sofa zu setzen. Er selbst nahm in einem Sessel ihr gegenüber Platz. »Bridget Shellcross«, sagte er. »Und dann Casimir Hifflyn. Und jetzt kommen Sie, um den alten Hideaway zu befragen. So ist es wahrscheinlich auch richtig. Wenn man sich strikt an den Kalender hält, bin ich zwar zwanzig Jahre älter als die beiden, aber sie sind länger im Geschäft als ich. Ich habe vor meinem achtundvierzigsten Lebensjahr nicht geschrieben.«
»Wirklich?«, sagte Elizabeth. »Was haben Sie denn vorher gemacht?«
|171| Er trank etwas Limonade und stellte das Glas dann auf den Boden. »Ich war Gutachter für Versicherungen«, sagte er. »Wenn der Sturm einen Baum umgerissen hat und er auf Ihr Dach gefallen war, dann kam ich zu Ihnen und bezifferte den Schaden. An meinem achtundvierzigsten Geburtstag hat mir meine Frau ein Buch geschenkt – einen Roman über einen Haufen zwielichtiger Gestalten, die zusammenarbeiten, um Versicherungsunternehmen zu betrügen. Es war ein ziemlich bescheuerter Thriller. Unrealistisch. Ich dachte, das kann ich besser. Ich habe ein paar Kapitel geschrieben, nur so aus Spaß, dann hat meine Frau das Manuskript gefunden. Sie lag mir in den Ohren, bis ich es fertig hatte. Also gut, ich habe es bis zu Ende geschrieben, aber als ich dann so weit war, hatte ich etwa vierzigtausend Wörter – zu lang für eine Erzählung und zu kurz für einen Roman. Ich habe den Text an einige Zeitschriften geschickt und ihn prompt zurückbekommen, und dann hat Tom Kristoll ihn in
Gray Streets
veröffentlicht.
Eine Literaturagentin hat die Geschichte gelesen, ein cleveres junges Ding, frisch vom College. Sie hat mich eines Tages angerufen und mich gefragt, woran ich arbeite. Ich habe ihr die Idee für einen Roman skizziert, und sie sagte, sie würde ihn gern lesen, wenn er fertig ist. Einen Monat später habe ich ihr sechzig Seiten und einen Abriss des restlichen Textes geschickt. Ich wollte nicht länger warten, ich hatte Angst, sie würde mich wieder vergessen. Irgendwie hat sie mir auf der Basis dieser sechzig Seiten einen Vertrag besorgt. Das war mein erster Roman,
Die längste Nacht im Juni.
Ich habe noch immer dieselbe Agentin. Wir haben uns erst persönlich kennengelernt, als ich das endgültige Manuskript dieses ersten Buches abgeliefert habe. Ich glaube, sie war überrascht. Sie dachte wohl, sie hätte mit jemandem ungefähr in ihrem Alter zu tun – und nicht mit einem Opa, was ich zu dem Zeitpunkt schon war. Meine Frau und ich haben zwei Mädchen großgezogen, in einem Haus in Huntington, Long Island. Die |172| Älteste hatte einen Dreijährigen und war schwanger mit dem Zweiten. Damals hatte ich auch einen richtigen Opa-Namen: Nate Henderson.«
Elizabeth fuhr mit dem Finger über die Kondensflüssigkeit an ihrem Glas. »Dann ist Hideaway also ein Pseudonym«, sagte sie.
»Das ist naheliegend, oder? Es überrascht mich, dass Cass Hifflyn Ihnen das nicht erzählt hat. Er war bereits etabliert, als ich anfing, und behauptet steif und fest, dass ich ›Hideaway‹ bloß gewählt habe, damit meine Romane auf den Regalen in den Buchhandlungen neben seine gestellt werden.« Hideaway grinste. »Keine schlechte Geschichte, aber die Wahrheit ist profaner. Ich habe das Wörterbuch bei H aufgeschlagen und geblättert, und irgendwann bin ich auf ›hideaway‹ gestoßen. Mir hat der Klang gefallen.«
»Wie sind Sie denn in Ann Arbor gelandet?«, fragte ihn Elizabeth.
Das Grinsen verflog, und sein Mund wurde weich. Plötzlich sah er sehr alt aus. »Meine Frau ist vor sechs Jahren gestorben«, sagte er. »Krebs.«
»Das tut mir leid.«
»Es war schrecklich«, sagte er bedrückt. »Seither bin ich allein in unserem Haus. Meine Töchter waren beide an die Westküste gezogen. Das war mir ganz recht. Ich wollte niemanden sehen. Ich konnte nicht arbeiten. Dann hörte Tom Kristoll davon, und Laura und er haben mir ein Stipendium hier an der Universität verschafft. Sechs Monate, um zu schreiben, ein Büro bei den Anglisten, lauter Studenten um mich herum. Ich hätte fast abgesagt, aber es hat sich herausgestellt, dass ich genau so etwas gebraucht habe. Als die sechs Monate um waren, habe ich beschlossen, zu bleiben.«
»Sie waren nicht versucht, in die Nähe Ihrer Töchter zu ziehen«, erkundigte sich Elizabeth.
»Doch,
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