Böse Liebe - Ein Alex-Delaware-Roman 8
nehmen?«
»Jede Privatklinik hat einen Fonds für Härtefälle. Oder Shipler war krankenversichert; schließlich hat er in einer Schule gearbeitet. Hatte Parks denn Geld?«
»Sieht nicht so aus. Der Witwer ist Autoverkäufer.«
»Hättest du Zugriff auf ihre Versicherungsunterlagen?«
»Ja, vorausgesetzt, sie sind noch nicht vernichtet worden.« Ich dachte an die beiden mutterlosen Kinder. »Wie alt waren Parks’ Kinder genau, als sie ermordet wurde?«
»Ich weiß nicht mehr - jedenfalls klein.«
»Wer hat sie großgezogen?«
»Der Vater, nehme ich an.«
»Lebt er noch in der Gegend?«
»Das müsste ich nachsehen.«
»Wenn er noch in der Stadt ist, dann sollten wir mit ihm reden. Er müsste wissen, ob seine Frau mal bei de Bosch in Therapie war.«
Er zeigte mit dem Daumen zur Rückbank. »Ich habe die Akte bei mir. Schau nach, ob du die Adresse findest.«
Ich drehte mich um und sah die Aktenbox.
»Der oberste Hefter«, sagte Milo, »brauner Deckel.«
Farben waren nicht zu erkennen. Ich fummelte in der Dunkelheit und fischte einen Ordner heraus.
»Ich habe eine Taschenlampe im Handschuhfach.«
Die Klappe klemmte natürlich. Milo lehnte sich herüber und klopfte mit der Faust dagegen, so dass der gesamte Inhalt des Handschuhfachs auf den Boden flog. Ich stopfte alles wieder zurück und fand dabei die Taschenlampe. Ich knipste sie an und sah, an den hinteren Aktendeckel geheftet, eine Reihe von Tatortfotos. Viel Rot. Die Schrift auf der Wand in Nahaufnahme: »Böse Liebe«, in großen roten Druckbuchstaben.
Ich blätterte zurück, bis ich auf den Namen des Witwers stieß. »Ralph Martin Parks«, las ich laut, »Valley Vista Cadillac. Eine Adresse in Nord-Hollywood.«
»Ich werde die Datenbank befragen, ob er noch in der Gegend ist.«
»Und ich suche inzwischen weiter nach anderen Konferenzteilnehmern. Ich muss sie warnen.«
»Sicher, aber was willst du ihnen sagen, wenn du nicht weißt, wer - möglicherweise - hinter ihnen her ist und warum? ›Guten Tag, ich muss Sie warnen, dass Sie demnächst von einem unbekannten, rachsüchtigen Psychopathen totgeschlagen, erstochen oder überfahren werden‹?«
»Vielleicht kann mir einer von ihnen weiterhelfen, was das ›wer und warum angeht. Ich hätte jedenfalls nichts dagegen gehabt, wenn ich gewarnt worden wäre. Das Problem ist, die Leute zu finden. Niemand von ihnen arbeitet oder lebt mehr dort, wo er zur Zeit der Konferenz war. Und Rosenblatts mutmaßliche Ehefrau reagiert nicht auf meine Anrufe. - Katharina de Bosch gehört seit fünf Jahren nicht mehr dem Psychologenverband an. Mag sein, dass sie einfach aufgehört hat, den Beitrag zu zahlen. Jedenfalls sieht es ihr gar nicht ähnlich, der Psychologie Ade zu sagen und das Heim zu schließen. Wenn sie eins war, dann ehrgeizig, erpicht darauf, die Arbeit ihres Vaters fortzusetzen.«
»Na gut. Es sollte nicht schwer sein, an die Steuer- und Sozialversicherungsakten zu kommen. Dann wissen wir wenigstens, wer von den Leuten noch lebt und wer nicht.«
Der Mond war schmal, kaum sichtbar hinter einem schmutzigen Wolkenschleier. Von der Autobahn kam Licht und Lärm. Wir fuhren den Exposition Boulevard auf und ab. Little Calcutta war unsichtbar, vollkommen versteckt hinter einem Labyrinth von Bretterzäunen. Die Stelle, wo ich mit dem Terminator gesprochen hatte, befand sich gerade noch im Lichtkegel einer verbeulten Straßenlampe.
Durch Lücken im Zaun sahen wir züngelnde blaue Flämmchen - Spiritusfeuer.
»Hier wird ja richtig gekocht«, sagte Milo.
Ich führte ihn zu dem Stück Zaun, durch das ich wenige Stunden zuvor gekrochen war. Man hatte inzwischen die Drähte verstärkt, so dass wir es mit der bloßen Hand nicht aufbekamen. Milo holte ein Schweizermesser aus der Tasche und klappte ein winziges, zangenartiges Werkzeug aus. Nach ein paar Minuten Biegen und Knipsen hatte er es geschafft.
Wir gingen zum Auto zurück, holten die Lebensmitteltüten, die wir im Minimarkt mit Brot, Dosensuppen, Fleisch, Milch und anderem gefüllt hatten, und schlüpften durch den Zaun. Nacheinander verloschen die blauen Lichter, als hätten wir einen Luftzug mitgebracht.
Milo griff wieder in seine Hosentasche und zauberte die Taschenlampe hervor, die ich im Wagen benutzt hatte. Er nahm etwas aus einer der Einkaufstüten und leuchtete es an, eine Packung Salami. Er hielt sie hoch und rief: »Hier gibt’s was zu essen.«
Obwohl er unter dem Lärm der Autobahn kaum zu hören war, gingen weitere Feuer aus.
Er
Weitere Kostenlose Bücher