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Böse Liebe - Ein Alex-Delaware-Roman 8

Titel: Böse Liebe - Ein Alex-Delaware-Roman 8 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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fantasierte er, er sei Nummer eins in der Hitparade.«
    Er wandte sich zu mir. »Welche Diagnose haben Sie für mich?«
    »Ich weiß nicht, ich kenne Sie nicht gut genug«, erwiderte ich.
    »Im Städtischen haben sie gesagt, ich litte an heftigen Stimmungswechseln. Und dann haben sie mein Methadon abgesetzt.«
    Er wartete auf meinen Kommentar, doch ich sagte nichts.
    »Die denken, ich könnte mich selbst verarzten. So ein Quatsch. Das ist keine Medizin für mich. Ich brauche das Zeug, um gut drauf zu sein -«
    »Was weißt du sonst noch über Gritz?«, fiel ihm Milo ins Wort.
    »Nichts mehr. Kann ich das Geld trotzdem behalten?«
    »Ist der Terminator noch hier?«, fragte ich.
    »Wer?«
    »Ein Knabe aus Arizona. Ihm fehlt ein Daumen, und er hat einen bösen Husten. Er ist mit seiner Freundin und einem Baby zusammen.«
    »Ach so, Wayne. Terminator? So nennt er sich jetzt?« Er lachte. »Nein, die haben heute Nachmittag zusammengepackt und sind weitergezogen. Wie gesagt, die Leute kommen und gehen.«
    Er zog sich die Decke über den Kopf und bewegte sich langsam Richtung Zaun, ohne uns aus den Augen zu lassen.
    »Nimmst du dir kein Zimmer?«, fragte Milo.
    »Nein. Ich schlaf heute Nacht im Freien. Die frische Luft tut mir gut.« Er lachte.
    Milo lachte eine Weile mit, dann zeigte er auf die Lebensmittel. »Was sollen wir machen mit dem ganzen Zeug?«
    Der Mann musterte die Tüten. »Ich nehme mir nur ein paar Dosen Cola und die Kekse dort.«
    »Mehr nicht?«
    »Ich bin auf Diät. Wenn du willst, kannst du den anderen Kram reinbringen. Irgendjemand kann es bestimmt gebrauchen.«
    Tastend, aber ohne zu zögern, wie ein Blinder, der genau weiß, wo er ist, führte er uns durch die Dunkelheit. Milo und ich, die Tüten unter die Arme geklemmt, stolperten hinter ihm her. Ich spürte - ich roch es - wir waren von Menschen umgeben.
    Der Mann blieb stehen und zeigte auf den Boden. Wir stellten die Lebensmittel ab, und nach und nach erschienen bläuliche Flammen, süßlich duftende Spiritusfeuer. In ihrem Licht wurde die Betonmauer sichtbar, davor Schlafsäcke und Haufen von Zeitungspapier.
    »Abendessen, Kinder!«, rief unser Führer. Dann verschwand er im Dunkeln, während vor uns weitere Lichter erschienen und etwa zehn Gestalten, gesichtslos, geschlechtslos, zusammengekauert wie im Sturm.
    Wir verteilten die Lebensmittel. Ich fühlte Hände, die meine berührten, bis die Tüten leer waren und wir wieder allein.
    Milo ließ den Strahl seiner Taschenlampe über das Gelände streifen, über Lumpenhaufen, alte Autositze und essende Menschen.
    Der Mann mit der Decke saß mit dem Rücken an einer der Brückensäulen, die Beine ausgestreckt, ein Arm entblößt auf einem seiner mageren Oberschenkel, am Bizeps zusammengeschnürt mit einem dehnbaren Band. Auf seinem Gesicht ein seliges Lächeln. Die Nadel steckte tief in seiner Vene.
    Milo wandte sich ab und richtete den Strahl auf den Boden.
    »Komm«, sagte er laut genug, um den Verkehrslärm zu übertönen.

16
    Am nächsten Morgen um neun rief die Gärtnerei an und bestätigte, dass um zwei die Fische abgeholt werden würden.
    Ich frühstückte mit Robin, dann fuhr ich in die medizinische Bibliothek, um den Namen Wilbert Harrison im psychiatrischen Teil des Facharztverzeichnisses nachzuschlagen.
    Die letzte Eintragung war zehn Jahre alt, eine Adresse, Signal Street in Ojai, keine Telefonnummer. Ich schrieb sie auf und las seine Kurzbiografie: Medizinstudium an der Columbia University, Ausbildung in der Menninger-Klinik, Stipendiat in Santa Barbara für ethnologische Studien, dann eine Assistentenstelle am De-Bosch-Institut.
    Trotz des Ethnologiestudiums schien er nie in der Forschung gearbeitet zu haben, sein eigentliches Fachgebiet war Psychoanalyse, speziell die Behandlung von Ärzten und anderem Gesundheitspersonal. Gemäß Geburtsdatum war er jetzt fünfundsechzig und praktizierte vermutlich nicht mehr. Auch der Umzug von Beverly Hills nach Ojai und die fehlende Telefonnummer ließen darauf schließen, dass er seine Ruhe haben wollte.
    Ich blätterte weiter bis »R« und fand Harvey Rosenblatt mit seiner Universitätsanschrift in New York und seinem Büro in der Fünfundsechzigsten Straße, Manhattan. Dieselbe Adresse, unter der ich Shirley zu erreichen versuchte. Hatte sie meinen Anruf ignoriert, weil sie nicht mehr zusammen waren - geschieden vielleicht oder schlimmer?
    Ich las weiter. Rosenblatt hatte in New York studiert. Seine klinische Ausbildung hatte er im Bellevue-,

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