Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Boeser Traum

Boeser Traum

Titel: Boeser Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Schlieper
Vom Netzwerk:
Mutter eine ältere Dame einfach zur Seite. Die ist zu empört, um irgendwas zu sagen.
    Â»Wo ist die Intensivstation?«
    Â»Zu wem möchten Sie denn?«, fragt die Mitarbeiterin freundlich.
    Â»Ich will zu meiner Tochter. Die liegt bei Ihnen auf der Intensivstation«, brüllt Dagmar Engels. Sie ist alles andere als freundlich.
    Â»Dritte Etage, dann an der Glastür klingeln.«
    Dagmar reißt die Tür zum Treppenhaus auf. Sie will jetzt auf keinen Aufzug warten. Michael und Sophie haben aufgeholt und folgen ihr.
    Sie klingelt zweimal, wartet zwei Sekunden. Klingelt erneut. Ihr Gesicht ist nass. Schweiß und Tränen haben sich vermischt.
    Als endlich eine Krankenschwester die Glastür öffnet, will Dagmar sich an ihr vorbeidrängen, wird aber von der zarten Person erstaunlich vehement zurückgehalten. »Wer sind Sie bitte?«
    Â»Ich bin die Mutter eines Mädchens, das vielleicht gerade hier mit dem Leben ringt.«
    Ihrer Stimme ist anzuhören, dass Dagmar Engels nicht mehr viele Reserven hat.
    Michael Engels mischt sich ein. »Die Polizei hat uns informiert. Unsere Tochter Emilia hatte heute Mittag wohl einen schlimmen Fahrradunfall.«
    Endlich weiß die Schwester, wen sie vor sich hat, und fordert die Familie behutsam auf, mitzukommen. Sie führt sie in ein Besprechungszimmer. »Der diensthabende Arzt wird sofort bei Ihnen sein«, verspricht sie. Dagmar Engels guckt sich erstaunt um.
    Â»Nein. Nein. Ich will keinen Arzt. Ich will meine Tochter sehen«, fordert sie.
    Â» Es wäre vielleicht besser, der Arzt erklärt Ihnen erst, wie schwer die Verletzungen sind«, schlägt die Krankenschwester vor. Dagmar Engels guckt auf deren Namensschild. »Iris, was genau haben Sie nicht verstanden? Ich will jetzt meine Tochter sehen. Jetzt. Sofort.«
    Im Stadttheater, in dem Dagmar Engels als Maskenbildnerin arbeitet, ist sie für ihre gute Laune bekannt. Auch für den respektvollen Umgang mit den Kollegen. Selbst die arrogantesten Schauspieler mit den abstrusesten Marotten werden höflich von ihr behandelt. Sie lässt sich nicht aus der Ruhe bringen, wenn Darsteller während der Prozedur alle fünf Minuten aufs Klo müssen. Jetzt ist die Zeit der Höflichkeit vorbei
    Schwester Iris nickt. Sie hat schon einige hysterische Mütter erlebt. Eine solche Löwin wie Dagmar Engels hat sie noch nicht kennengelernt. Sie nickt kurz und sagt dann: »Kommen Sie mit.«
    Dagmar Engels dreht sich kurz zu ihrem Exmann um, ehe sie der Schwester folgt. Michael Engels bleibt in dem Raum stehen, guckt Sophie an. Sollen sie mitgehen? Er will nicht. Er hat Angst. Ganz langsam setzt er sich auf einen Stuhl vor dem Schreibtisch. Vielleicht kommt ja der Arzt gleich. Da wäre es ja nicht gut, wenn keiner da sei, redet er sich ein. Sophie schaut aus dem Fenster. Auch ihr ist klar, dass sie ihre Schwester nicht sehen will. Sie will eigentlich auch nichts über Emilia von dem Arzt hören. Sie will das hier alles nicht.
    Auf den letzten Metern wird Dagmar langsamer. Ganz vorsichtig tasten ihre Augen den Körper, der da liegt, ab. Sie schaut die Maschinen an, sieht die Schläuche, die unter der Bettdecke verschwinden. Darf sie wohl nach einer Hand tasten? Darf sie sie anfassen? Am liebsten würde sie zu Emilia unter die Decke kriechen. Heile-heile-Segen singen. Sie wiegen. Küssen. Im Arm halten. Festhalten.
    Einfach nur nicht gehen lassen.

Millionen kleine Tode
    C harlotta hält es nicht mehr aus. Seit einer halben Stunde schon muss sie auf die Toilette. Klein nur. Immerhin. Von ihrem Platz oben aus der Treppe hat sie gesehen, dass es einen kleinen Abfluss im Boden gibt. Hinten, zwischen den beiden winzigen Oberlichtern. Wahrscheinlich wäre es hygienischer, da hineinzumachen, hat sie sich überlegt. Zumindest hygienischer, als in den Eimer zu pinkeln, der dann mit dem Pipi in der Ecke steht und anfängt zu stinken. Und selbst wenn es nicht stinken würde, es würde Charlotta stinken zu wissen, dass da ein Pinkeleimer steht. Sie geht langsam die Treppe hinunter, rüber zu dem Metallgitter im Boden. Sie öffnet die Hose, Hitze steigt ihr ins Gesicht. Es ist ihr einfach peinlich. Sie geht in die Hocke, der erste Strahl landet daneben, ein paar Spritzer landen auf dem Schuh, hinterlassen dunkle Flecken auf dem Leinen. Charlotta ekelt sich vor sich selber. Sie geht noch etwas tiefer mit dem Po, trifft endlich und entleert ihre Blase.

Weitere Kostenlose Bücher