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Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)

Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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klingeln, als die Tür geöffnet wurde. Eine Frau erschien im Türrahmen. Mitte vierzig, gertenschlank, sehr gepflegt. Sie war immer noch attraktiv, sah aber verbraucht aus. Ab vierzig rächte sich die Haut gnadenlos für zu viel Sonne und zu wenig Körperfett.
    »Ich war gerade unter der Dusche«, sagte sie entschuldigend und fuhr sich mit der Hand durch das dunkle, von weißen Strähnen durchzogene Haar, das noch feucht war.
    »Kein Problem. Es regnet ja glücklicherweise gerade nicht.« Bodenstein präsentierte ihr seinen Ausweis, stellte sich und Pia vor. Die Frau quittierte seine Bemerkung mit einem unsicheren Lächeln.
    »Was kann ich für Sie tun?«
    »Frau …?«, begann Bodenstein.
    »Hackspiel. Britta Hackspiel«, entgegnete die Frau.
    »Danke. Frau Hackspiel, wir sind auf der Suche nach jemandem, der hier mal gewohnt hat. Einem Kilian Rothemund.«
    Das Lächeln auf dem Gesicht der Frau erstarb. Sie verschränkte die Arme und holte tief Luft. Ihre ganze Körperhaltung signalisierte Abwehr.
    »Wieso wundert mich das jetzt nicht?«, sagte sie mit zusammengebissenen Zähnen. »Ich weiß nicht …«
    Sie verstummte, wollte etwas sagen, besann sich anders.
    »Kommen Sie rein. Es muss ja nicht die ganze Nachbarschaft mitkriegen, dass wieder mal die Polizei da ist.«
    Bodenstein und Pia betraten einen verglasten Vorraum. Das ganze Haus schien vorwiegend aus Glaswänden zu bestehen.
    »Kilian Rothemund ist mein Exmann. Ich habe mich scheiden lassen, als er ins Gefängnis musste. Das war 2001, und seitdem habe ich ihn nicht mehr gesehen.« Britta Hackspiel bemühte sich um äußerliche Gelassenheit, aber in ihrem Innern tobte ein wilder Aufruhr, das verrieten ihre Hände, die an ihren Oberarmen auf und ab glitten. »Es war für mich unerträglich, mit einem Pädophilen verheiratet zu sein. Meine Kinder waren damals noch klein, und ich habe mir im Nachhinein oft überlegt, ob dieses perverse Schwein sich wohl auch an ihnen vergriffen hat.«
    Aus ihrer Stimme sprachen Abscheu und Hass, die auch mehr als neun Jahre nicht hatten mildern können.
    »Was dieser Mann mir, den Kindern und meinen Eltern angetan hat, ist einfach unvorstellbar. Die widerwärtige Berichterstattung in den Medien war für uns alle ein Alptraum. Ich weiß nicht, ob Sie nachvollziehen können, wie demütigend und grausam es ist, wenn sich der Mann, den Sie zu kennen geglaubt haben, auf einmal als Kinderschänder entpuppt.« Sie blickte Pia an, und diese erkannte, wie tief die Frau verletzt war. »Unsere Freunde haben sich von mir abgewendet, ich fühlte mich wie eine unschuldig zum Tode Verurteilte. Sehr oft habe ich mich gefragt, ob es vielleicht an mir gelegen haben könnte. Drei Jahre lang war ich in Therapie, weil ich mich mitschuldig gefühlt habe.«
    Häufig empfanden die Angehörigen von Tätern diese Schuldgefühle, machten sich selbst für das, was geschehen war, verantwortlich. Dies war umso schlimmer, wenn sich auch noch Freundeskreis und Nachbarschaft abwendeten. Pia konnte sich vorstellen, wie grausam es sein musste, plötzlich als Frau eines Kinderschänders gebrandmarkt und in Sippenhaft genommen zu werden.
    »Warum sind Sie nicht hier weggezogen?«, erkundigte sie sich.
    »Wohin denn?« Britta Hackspiel stieß ein unfrohes Lachen aus. »Das Haus war noch nicht abbezahlt, es war kein Geld mehr da. Bei der Scheidung bekam ich zwar alles zugesprochen, aber wenn meine Eltern mich nicht finanziell unterstützt hätten, wäre alles den Bach heruntergegangen.«
    »Wissen Sie, wo Ihr Exmann jetzt lebt?«, wollte Bodenstein wissen.
    »Nein. Und das will ich auch nicht wissen. Das Gericht hat ein striktes Besuchsverbot verhängt, außerdem darf er sich den Kindern nicht nähern. Verstößt er gegen diese Auflagen, wandert er sofort wieder dahin, wo er hingehört: nämlich ins Gefängnis.«
    So viel Bitterkeit. Eine Verletzte, deren Wunden nicht heilen konnten.
    Ein schwarzer BMW fuhr vor die Doppelgarage neben den weißen SUV , ein großer Mann mit einem grauen Haarkranz, ein Junge und ein blondes Mädchen stiegen aus.
    »Mein Mann und meine Kinder«, erklärte Britta Hackspiel nervös. »Ich möchte nicht, dass sie den Grund Ihres Besuches erfahren.«
    Der Junge war ungefähr zwölf, das Mädchen etwa vierzehn Jahre alt und eine kleine Schönheit mit großen dunklen Augen und einer Haut wie Milch und Honig. Das lange blonde Haar reichte bis in die Mitte ihres Rückens, und Pia konnte die Befürchtungen ihrer Mutter nachvollziehen. Sie

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