Böses Herz: Thriller (German Edition)
Ich denke auch an Lanny. Woher wollen wir wissen, ob wir wirklich das Beste für ihn tun?«
»Wir sind seine Eltern.«
»Liebende Eltern, das stimmt, trotzdem sind wir keine ausgebildeten Therapeuten. Es gibt Spezialisten für Patienten wie Lanny.«
Sie stand auf und wanderte durch die Küche, als würde sie nach einem Fluchtweg suchen. »Die ganze Unterhaltung ist witzlos. Selbst wenn wir uns einig wären, dass ein privates Pflegeheim das Beste für ihn ist, könnten wir uns keines leisten. Und in so ein modernes staatlich geführtes Asyl werde ich ihn auf keinen Fall stecken. An so einem Ort könnte ich ihn niemals lassen.«
Natürlich schmerzte die Unterstellung, dass er das tun würde, aber er würde sich keinesfalls in einen Streit ziehen lassen. Er blieb strikt beim Thema. »Wir sind es uns und ihm schuldig, einige der besseren Heime zu besichtigen und uns wenigstens ein Bild zu machen.« Er zögerte und fragte dann: »Wärst du denn bereit mitzukommen, wenn die Finanzen geklärt wären?«
»Aber das sind sie nicht.«
»Wenn sie es wären«, wiederholte er stur.
»Hast du vor, im Lotto zu gewinnen?«
Wieder traf ihn ihr Sarkasmus, aber auch diesmal ging er nicht darauf ein. Für diesen einen Abend hatte er genug gesagt. Er hatte ihr zu denken gegeben. Ihm war klar, dass er die Rolle des Schurken übernommen hatte, indem er das Thema angesprochen hatte, aber einer von ihnen musste sie übernehmen, und Janice wollte er das nicht zumuten.
Sie hatte an der Highschool die Abschlussrede gehalten, hatte mit Auszeichnung an der Vanderbilt University abgeschlossen und danach in einer Investmentfirma gearbeitet, wo sie als aufgehender Stern gegolten hatte. Dann hatte das Schicksal nicht nur ihre berufliche Laufbahn, sondern ihr ganzes bisheriges Leben brutal abgeschnitten.
Nachdem sie alles für Lanny aufgegeben hatte, konnte sie sich unmöglich eingestehen, dass sie gescheitert waren. Wenn sie Lanny in ein Heim gaben, kam das in ihren Augen einer bedingungslosen Kapitulation gleich und damit dem Eingeständnis, dass es ihr – ein weiteres Mal – verwehrt bleiben würde, etwas zu Ende zu bringen, das sie begonnen hatte.
Er seufzte. »Ich gehe ins Bett und sehe zu, dass ich noch eine Mütze Schlaf bekomme. Es würde mich nicht überraschen, wenn ich mitten in der Nacht angerufen würde.«
»Wieso denn?«
»Die Kollegen, die noch in Tambour sind, sollen mich benachrichtigen, sobald sich etwas Neues ergibt.« An der Tür blieb er stehen. »Du siehst auch völlig erledigt aus. Kommst du mit?«
»Noch nicht. Ich bin zwar müde, aber schlafen kann ich bestimmt nicht. Ich glaube, ich bleibe noch eine Weile wach.«
»Und spielst dein Wörterspiel mit diesem Handyfreund in Japan?«
»Singapur.«
Er lächelte. Diese Handyspiele waren ihre einzige Erholung und inzwischen fast zu einer Sucht geworden. »Ich drücke dir die Daumen.«
»Ich habe dreiundvierzig Punkte Vorsprung, aber da steht noch ein J, das mir zu schaffen macht.«
»Dir wird schon noch ein Wort einfallen«, meinte er zuversichtlich. »Aber bleib nicht zu lange auf.«
Zwei Stunden später lag Tom immer noch allein in ihrem Ehebett. Er stand auf und tappte barfuß in den Flur. Nachdem er kurz nach Lanny gesehen hatte, entdeckte er Janice im Fernsehzimmer, wo sie gebannt auf das Display ihres Handys starrte, völlig vertieft in einen Zeitvertreib, der ihr offenbar angenehmer war, als mit ihm zu schlafen.
Unbemerkt machte er kehrt und schlich allein ins Schlafzimmer zurück.
12
L angsam nahm Coburn die Hände von Honors Schultern. Dann stand er auf, hob die Pistole vom Boden auf und steckte sie wieder in seinen Hosenbund. Sie blieb liegen und sah stumm zu ihm auf.
»Das war verflucht dämlich«, erklärte er ihr. »Wenn Sie versehentlich den Abzug ausgelöst hätten, wäre vielleicht einer von uns gestorben, und wenn Sie das gewesen wären, säße ich jetzt mit Ihrem Kind da.«
Es war ein herzloser Kommentar, und darum machte er ihn. Ihre Tochter war der Knopf, den er drücken musste, wenn er etwas von ihr wollte, und im Moment wollte er vor allem, dass sie aufhörte, ihn mit riesigen Augen anzustarren wie ein gestrandeter Barsch.
Dass sie ihn gehört hatte, erkannte er daran, dass sie blinzelte. Trotzdem blieb sie absolut reglos liegen, und einen Moment fragte er sich erschrocken, ob sie sich bei ihrem Ringkampf ernsthaft verletzt hatte.
Und gleichzeitig fragte er sich, wieso ihn das interessieren sollte.
»Ist alles in Ordnung?«
Sie
Weitere Kostenlose Bücher