Böses Herz: Thriller (German Edition)
weggehen würde, darum schlich sie auf Zehenspitzen die Treppe wieder hinunter. Ihre Mommy hatte sich nicht bewegt und Coburn auch nicht, nur sein Bauch ging rauf und runter, wenn er atmete. Sie legte die Hand auf ihren Bauch. Der ging auch rein und raus, wenn sie atmete.
Dann entdeckte sie unten auf Coburns Bett das verbotene Handy und den Akku.
Als ihre Mommy und Coburn gestern die Zweige von dem Boot weggehauen hatten, hatte sie gefragt, ob sie auf Mommys Handy ihr Puzzle mit Thomas der kleinen Lok spielen durfte. Beide hatten gleichzeitig »Nein!« gesagt, nur dass Coburn es ein bisschen lauter gesagt hatte als Mommy. Sie hatte nicht verstanden, warum beide nein gesagt hatten, denn Mommy ließ sie oft auf ihrem Handy spielen, wenn sie es nicht brauchte.
Jetzt brauchte Mommy ihr Handy nicht, darum war es bestimmt nicht so schlimm, wenn sie ein bisschen darauf spielte.
Sie hatte zugeschaut, als Coburn ihrer Mommy gezeigt hatte, wie man den Akku einlegte. Sie konnte das auch. Das hatte Coburn selbst gesagt.
Er rührte sich nicht, als sie das Handy vom Bett nahm. Sie legte den Akku so in das Handy, dass die goldenen Zähne aufeinanderpassten, dann drückte sie ihn fest, genau wie Coburn es gemacht hatte, und schaltete das Handy kurz darauf ein. Als die vielen kleinen Zeichen auf dem Bildschirm auftauchten, drückte sie auf das mit der kleinen Lokomotive. Das Puzzle gefiel ihr von allen Spielen am besten.
Konzentriert zog sie erst die Räder an die richtige Stelle, dann kamen der Kessel und der Schornstein und die ganzen anderen Teile dran, bis Thomas ganz zu sehen war.
Jedes Mal, wenn sie das Puzzle fertig bekommen hatte, lobte ihre Mommy sie, weil sie so schlau war. Mommy wusste, dass sie schlau war, aber Coburn wusste das nicht. Sie wollte Coburn auch zeigen, dass sie schlau war.
Sie kroch an seinen Kopf und beugte sich ganz dicht über ihn. »Coburn?«, flüsterte sie.
Seine Augen flogen auf. Er sah sie komisch an und sah dann zu ihrer Mommy hinüber, die immer noch schlief. Gleich darauf sah er sie wieder an. »Was ist denn?«
»Ich habe das Puzzle fertiggekriegt.«
»Was ist?«
»Das Eisenbahnpuzzle. Auf Mommys Handy. Ich habe es fertig gemacht.«
Sie hielt es hoch, damit er es sehen konnte, aber eigentlich sah er gar nicht hin, denn im selben Moment sprang er so schnell vom Bett auf, dass er sich den Kopf an der Decke anschlug.
Dann sagte er ein ganz schlimmes Wort.
27
D eputy Sheriff Crawford stellte überrascht fest, dass sie zu einem verlassenen Krabbenkutter geführt wurden, der weniger im Wasser zu schwimmen, als vielmehr darin zu hocken schien.
Was Verstecke anging, war das Boot eher zweite Wahl. Zum einen sah es ganz und gar nicht vertrauenswürdig aus. Was schon schlimm genug war. Aber vor allem lag es inmitten einer feindseligen Wildnis und in einem Labyrinth von Wasserläufen fest, in denen man sich hoffnungslos verirren konnte, bevor man den Golf von Mexiko erreichte, falls die geplante Fluchtroute tatsächlich dorthin führen sollte.
Vielleicht war Coburn doch nicht so schlau, wie er angenommen hatte. Vielleicht verzweifelte er allmählich.
Sicherheitshalber verständigten sie sich nur mit Handzeichen, während sie sich lautlos und vorsichtig zu Fuß dem Boot näherten.
Der Einsatztrupp, der in der provisorischen Kommandozentrale im Tambour Police Department untergebracht war, bestand aus ihm selbst, zwei weiteren Deputys aus dem Sheriffbüro, drei städtischen Polizisten aus Tambour, zwei FBI-Agenten und einem State Trooper, der zufällig im Raum gewesen war und mit den anderen ein Schwätzchen gehalten hatte, als ein Techniker hereingeplatzt war und ihnen erklärt hatte, dass er ein Signal aus Honor Gillettes Handy aufgefangen habe.
Er hatte es erfolgreich per Triangulation lokalisiert.
Danach hatten sie eine qualvolle Stunde damit zugebracht zu diskutieren, wie sie am besten an diesen abgeschiedenen Ort gelangten. Durch die Luft, über Land oder auf dem Wasser? Nachdem sie beschlossen hatten, dass das Überraschungsmoment am größten war, wenn sie über Land kamen, hatte Crawford das Kommando an jenen Mann übergeben, der im Tambour P.D. und im Sheriffbüro die meiste Erfahrung in der Leitung eines Einsatzkommandos gesammelt hatte – indem er in seiner Freizeit und auf eigene Kosten ein paar Kurse besucht hatte.
Er hatte sein begrenztes Wissen mit ihnen geteilt und den Einsatz mit den Worten zusammengefasst: »Baut keinen Scheiß, indem ihr die Frau oder das Kind
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