Boeses Spiel in Oxford
ignorieren?«
»Du solltest morgen zum Friseur gehen und dir einen schicken Haarschnitt gönnen. Lass Sam bezahlen«, schlug Kate vor. »Du bildest dir das alles wirklich nur ein.«
Als sie jedoch den Hörer auflegte, erinnerte sie sich, wie sie Sam in Gatwick über den Weg gelaufen war. Sam, der weder stehen bleiben noch mit der Freundin seiner Frau einen Kaffee trinken wollte. Sam, der seine Taschen fallen ließ. Sam, der schuldbewusst dreinblickte. Trotzdem: Sah dieser Mann etwa aus, wie einer, der seine Frau betrügt? So etwas würde Sam Dolby seiner Familie nie und nimmer antun.
Am nächsten Morgen saß Kate wieder am Computer und füllte Bildschirmseite um Bildschirmseite mit dem nächsten Kapitel von Spitfire Sweethearts (der Titel schien ihr besser zu den vierziger Jahren zu passen als Spitfire Lovers) . Und genau wie am Vortag erwachten die Fosters pünktlich um halb elf zu ihrem geschäftigen, lautstarken Leben. Laura führte von der oberen Etage aus ein angeregtes Gespräch mit Edward, der sich im Untergeschoss aufhielt. Vielleicht war es ihr ein Bedürfnis zu reden, während sie malte – sozusagen ihr Äquivalent zum Hören von Mozart.
Edward hatte sich an diesem Tag aufs Hämmern verlegt und unterbrach diese Tätigkeit nur, um mit etwas zu arbeiten, das sich wie eine Motorsäge anhörte. Kate fand sich damit ab, bis zur Fertigstellung ihres Buches mit Ohrstöpseln und Kopfhörern leben zu müssen. An diesem Morgen entschied sie sich für Scott Joplin, den sie für mindestens ebenso kreativitätsfördernd hielt wie Mozart.
Kates Arbeit ging so gut voran, dass eine Unterbrechung für ein Mittagessen nicht infrage kam. Sie schälte sich eine überreife Banane, holte sich ein Glas Saft und kehrte zu ihrem angefangenen Kapitel zurück.
Als sie schließlich aus ihrem Arbeitszimmer emportauchte, war es bereits nach fünf Uhr. Sie nahm den Kopfhörer ab und pulte sich die Ohrstöpsel aus den Ohren. Mit einem Mal erschienen ihr sämtliche Geräusche viel lauter als sonst. Ein Hubschrauber, der über ihr Haus hinwegdröhnte, klang, als flöge er nur wenige Meter hoch. In der Agatha Street brummten Motoren. Kate hörte Stimmen, die einander Befehle zuzurufen schienen. Sie schüttelte den Kopf, um ihr Gehör in Ordnung zu bringen. Da konnte man wieder mal sehen, was passierte, wenn man sich länger als sechs Stunden von der Außenwelt abschottete! Sie wünschte, es gäbe einen Lautstärkeregler, mit dem sie den Lärm einfach drosseln konnte.
Oben im Wohnzimmer blinkte ihr Anrufbeantworter. Plötzlich wurde ihr klar, dass das Telefon den ganzen Nachmittag hätte klingeln können, ohne dass sie auch nur das Geringste gehört hätte. Während sie das Band zurücklaufen ließ, sonnte sie sich in dem zufriedenen Gefühl, den ganzen Tag gearbeitet und nicht etwa mit Freunden geschwatzt zu haben.
»Kate? Hier ist Jeremy. Sind Sie zu Hause?« Kurze Pause, dann das Klicken eines aufgelegten Hörers. Nach dreimaligem Piepsen begann die zweite Nachricht.
»Kate? Sie müssen doch da sein! Ich sehe, dass Ihr Wagen vor der Tür steht! Nehmen Sie ab. Bitte!« Wieder war es Jeremys Stimme. Sie klang beunruhigt. Hatte Kate etwa eine solche Wirkung auf ihn gehabt, dass er es nicht abwarten konnte, endlich wieder mit ihr zu sprechen? Wohl kaum! Zunächst dachte Kate daran, ihn zurückzurufen, doch sie kannte seine Telefonnummer nicht. Und nachdem ihr sein schlaffer Händedruck wieder eingefallen war, hatte sie keine Lust mehr, nur seinetwegen die Auskunft anzurufen. Ob er auch an ihrer Tür geklopft hatte? Schon möglich, doch sie hatte nichts gehört, und er würde lernen müssen, dass sie während der Arbeit nicht gestört werden wollte. Und war es wirklich so wichtig? Sie schnüffelte. Nein, kein Rauchgeruch in der Luft – also brannte das Haus vermutlich nicht. Ganz so dringend konnte es also nicht sein, obwohl Jeremy – nun ja – ein wenig verärgert geklungen hatte, vor allem beim zweiten Anruf. Jetzt würde sie sich erst einmal einen Tee machen und dann zu ihm hinübergehen, um zu erfahren, was es mit den Anrufen auf sich hatte.
Ehe sie jedoch in die Küche ging, um Wasser aufzusetzen, warf sie einen Blick aus dem Fenster in die Agatha Street und erschrak.
Streifenwagen. Lieferfahrzeuge. Männer in blauen Uniformen. Männer in weißen Overalls. Zwei Hubschrauber, die über dem Haus kreisten.
Der große Lärm war also keine Einbildung, sondern völlig real gewesen.
Der Bürgersteig und die Straße waren rings
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