Boeses Spiel in Oxford
Anthurium crystallinum . Ficus benjamina . Diese Namen kamen vermutlich eher in Frage als »Inflationsziel«. Sie notierte sich die botanischen Bezeichnungen auf einem Block, der neben Jeremys Telefon lag (und auf dem leider nichts Nützliches stand wie zum Beispiel »Falscher Pass« nebst einer Telefonnummer). Dann probierte sie die Pflanzennamen aus.
Als sie » benjamina « eingab, kapitulierte der Computer und öffnete ihr sein Innenleben.
Jeremy schien wirklich sehr fleißig zu sein. In den Ordnern, die Kate sich ansah, standen Dutzende von Dateien. Da sie nicht den ganzen Tag Zeit hatte, sich jede einzeln vorzunehmen, kehrte sie zum Desktop zurück und ließ sich nur die kürzlich aufgerufenen Dateien anzeigen. Falls Jeremy tatsächlich eine Datei angelegt hatte, die sie interessieren könnte, dann musste er in den letzten ein bis zwei Wochen daran gearbeitet haben, davon war Kate überzeugt. Und nach all der Mühe, die sie sich gemacht hatte, um den Computer zu knacken, wollte sie gar nicht erst daran denken, dass vielleicht überhaupt nichts Aufregendes zu finden war.
Sie studierte die Dateinamen. Die meisten schienen mit Jeremys Arbeit zu tun zu haben, doch einer war dabei, der sich vielversprechend anhörte. Die Datei hieß »Jester« und war am Morgen des Vortags zum letzten Mal geändert worden. Kate öffnete sie. Es handelte sich um einen sehr langen, dicht geschriebenen Text, den sie unmöglich an Ort und Stelle lesen konnte. Besser war es, ihn auf eine CD zu kopieren und ihn sich zu Hause in aller Ruhe zu Gemüte zu führen. Als sie das Format überprüfte, musste Kate zu ihrem Leidwesen feststellen, dass Jeremy eine neuere Version von Word benutzte als sie selbst. Mach dir nichts vor , Kate – alle tun das!
Sie legte einen Stapel A4-Papier in den Drucker und veranlasste den Rechner, ihr zwei Exemplare der Datei auszudrucken. Kate hatte immer gern eine Kopie in der Hinterhand, falls einmal etwas schiefging. Ordentliche Menschen haben wirklich etwas für sich, dachte sie, während der Drucker ein Blatt nach dem anderen ausspuckte – man fand sofort und mühelos Papier, wenn man welches brauchte. Jedes Ding an seinem Platz und eine bestimmte Stelle für alles, so war er nun mal, der gute Jeremy.
Der Drucker surrte weiter. Kate sah auf die Uhr. Es war später als erwartet. Sie hatte sich länger als eine Stunde in Jeremys Haus aufgehalten. Dabei hatte sie Estelle versprochen, ihr die Ankunftszeiten der Züge aus Paddington zu bestätigen. Sie sollte also schleunigst nach nebenan gehen und Estelle anrufen, ehe ihre Agentin zu einem ihrer ausgedehnten Geschäftsessen aufbrach.
Eilig lief sie nach Hause. Als sie hinunter in ihr Arbeitszimmer ging und ihren Computer hochfuhr (einen unverwüstlichen 486er mit nachträglich erweitertem Arbeitsspeicher), fragte sie sich, wie sich Jeremy die teure Ausrüstung hatte leisten können.
Erst Sam und jetzt Jeremy, dachte sie.
Ob die beiden etwas miteinander zu tun hatten?
Ehrlicherweise musste sie sich eingestehen, dass die Frage nach der Ermordung der Fosters für sie längst nicht mehr an erster Stelle stand. Die Bilder in ihrem Kopf waren so schrecklich, dass sie beschlossen hatte, diese Sache der Polizei zu überlassen. Trotz Jeremys mehr als merkwürdigem Verhalten war sich Kate ziemlich sicher, dass die Verbindung zwischen ihm und den Fosters viel zu lose war, als dass sie ein Grund für den Tod der Nachbarn sein konnte. Selbst die Lokalzeitungen waren inzwischen zu dem Schluss gekommen, dass das Ganze ein furchtbarer Irrtum gewesen sein musste und die Fosters vermutlich Opfer einer Verwechslung geworden waren. Trotz größter Bemühungen war es niemandem gelungen, auch nur den geringsten Hinweis auf einen kriminellen Hintergrund im Leben der Fosters zu finden.
Zwar benahm sich Jeremy, als wären die Killer in Wahrheit hinter ihm hergewesen, doch da er absolut keine Ähnlichkeit mit Edward Foster hatte – und noch weniger mit Laura –, lag er in dieser Hinsicht wahrscheinlich falsch.
Kate ging auf die Webseite der Thames Trains und informierte sich über die Fahrpläne. Wieso konnte Estelle das eigentlich nicht selbst erledigen? Estelle schien sich darin zu gefallen, sich als völlige Ignorantin auf dem Gebiet der Technik darzustellen. Kate argwöhnte, dass sie der Meinung war, dadurch femininer und anziehender auf Männer zu wirken.
Mit den nötigen Informationen gewappnet rief sie ihre Agentin an.
»Vielen, vielen Dank, Kate. Lieb, dass Sie sich
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