Boeses Spiel in Oxford
Zucker?«, fragte Camilla.
»Milch bitte.«
»Wir könnten auch ein paar von den Plätzchen essen, die du mir großzügigerweise dagelassen hast«, schlug Camilla vor und reichte Kate ein angebrochenes Päckchen mit hellen Schokoladenkeksen. »Komisch, ich dachte immer, dass du eher auf dunkle Schokolade stehst.«
»Mit zunehmendem Alter verändert sich eben manchmal auch der Geschmack«, sagte Kate und biss heldenhaft in eins der Plätzchen. Sie hasste Milchschokolade!
Camilla griff noch ein zweites Mal zu und kramte anschließend ein Stück Papier hervor.
»Leider konnte ich ein Wort nicht entziffern«, sagte sie und reichte Kate den Zettel.
»Ach, wirklich?«, meinte Kate und überflog die Nachricht. »Aber eigentlich ist doch alles klar, oder?« Sonnenklar sogar. Die Handschrift wirkte ein wenig ordentlicher als ihre eigene. Wie gut kannte Camilla ihre Handschrift? Außer dann und wann eine Weihnachtskarte hatte sie ihr doch nie geschrieben, oder?
Laut las sie vor: »Die Camelia japonica an der Hintertür leidet unter einem starken Schildlausbefall. Eine Behandlung mit Malathion ist um diese Jahreszeit nicht mehr angebracht, doch die Kamelie ist noch zu retten, wenn man das wie kleine Schuppen aussehende Ungeziefer von Hand entfernt. Manchmal hört man, dass es ganz gut mit einer Messerspitze gehen soll, doch ich persönlich halte ein feuchtes Wattestäbchen für geeigneter, weil man so die Blätter nicht verletzt. Für den Stamm kann man auch eine weiche Bürste nehmen. Falls keine generellen Bedenken gegen eine Behandlung mit Insektiziden bestehen, sollte diese im kommenden Frühsommer unmittelbar vor dem Schlüpfen der Brut erfolgen.«
»Malathion«, wiederholte Camilla nachdenklich. »Das war das Wort, das ich nicht lesen konnte. Was genau ist das?«
»Ein Mittel zur Behandlung von Schildläusen«, trumpfte Kate auf, nachdem sie kurz, aber intensiv nachgedacht hatte.
»Ach ja?«
Kate fühlte sich wie eine von Camillas Schülerinnen, die man beim Rauchen auf der Schultoilette erwischt hatte.
»Hättest du etwas dagegen, wenn ich den Zettel behalte?«, fragte sie und hoffte, dass damit das Kapitel Pestizide ad acta gelegt war.
»Meinetwegen. Aber wozu?«
Kate drehte das Papier kurz um. »Weil ich die Nachricht auf die Rückseite eines Prospektes geschrieben habe, den ich eigentlich verwahren wollte.«
»›Büroarbeiten ganz einfach zu Hause erlernen. Die Jericho Corporation hilft Ihnen dabei.‹ Ich dachte immer, du schreibst ganz passabel.«
»Ich muss unbedingt meine Buchführung ein bisschen aufpolieren«, improvisierte Kate.
»Ist es nicht einfacher, diese Dinge gleich am Computer zu erledigen? Es gibt doch ziemlich einfach zu bedienende Software für solche Zwecke.«
»Ich halte meine Festplatte lieber für meine Bücher frei.«
Endlich ließ Camilla das Thema fallen. »Möchtest du noch einen Schluck Tee? Oder vielleicht ein Plätzchen?«
»Ich denke, ich sollte jetzt nach Hause gehen. Ich möchte noch ein Kapitel fertig stellen, ehe ich zum gemütlichen Teil des Abends übergehe.«
Sie faltete Jeremys Briefchen und steckte es in die Jackentasche. Es war ihr lieber, jeglichen Beweis für seine Anwesenheit in Camillas Haus aus dem Weg räumen. Und vielleicht steckte ja doch eine geheime Botschaft für sie dahinter. Schildläuse und Malathion – also wirklich! Wenn sie Jeremy das nächste Mal sah, würde sie ihm ein paar Takte zu seinem grünen Daumen sagen!
Als Kate wieder in ihrem Arbeitszimmer saß, untersuchte sie Jeremys Nachricht noch einmal ganz genau. Eine saubere Handschrift, wie viele gebildete Menschen sie hatten. Mit einem blauen Tintenstift geschrieben. Noch einmal las sie den Text Wort für Wort, doch es sah wirklich danach aus, als enthalte er lediglich eine Anweisung zum Ausmerzen der Schildläuse auf Camillas hübscher, rosa Kamelie.
Kate drehte den Zettel um und betrachtete die Reklame für den Lehrgang in Büroarbeiten. Warum hatte Jeremy diesen Flyer aufbewahrt? Wahrscheinlich hatte er in seinem und in allen anderen Briefkästen der Umgebung gesteckt. Sie selbst allerdings hatte ihn nicht bekommen, denn an die hellgrüne Farbe und das markante Logo, das an kämpfende Musikinstrumente erinnerte, hätte sie sich sicher erinnert. Jeremy hatte den Prospekt eben als Schmierpapier benutzt, dachte sie. Der Zettel war ohne Bedeutung.
Nein, wichtig war er wirklich nicht. Und eine Geheimbotschaft enthielt er auch nicht.
Kate legte ihn in ihr Ablagekörbchen und vergaß
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