Boeses Spiel in Oxford
dass Estelle ihre Fürsorglichkeit und Anteilnahme beibehielt, wenn die nächsten Vertragsverhandlungen anstanden. Jedenfalls war sie der Meinung, dass sie sich zwei Extra-Tausender auf den nächsten Vorschuss redlich verdient hatte. Als sie jedoch den Hörer auflegte, erinnerte sie sich daran, dass sie keinerlei Recht hatte, Estelle zu kritisieren. Nachdem sie George kennen gelernt hatte, hatte sie sich mindestens genauso dämlich benommen. Kate seufzte. Wie lange das schon her war!
Der nächste Anruf kam, als sie gerade Mittagspause machte. Alec Malden meldete sich.
»Kate Ivory?«
»Ja bitte?«
»Sie wollten doch das Datum für die Trauerfeierlichkeiten für Jeremy wissen, nicht wahr?«
»Gern.«
»Der Gottesdienst findet am Donnerstag um elf Uhr in der College-Kapelle statt. Sie sind natürlich herzlich eingeladen. Anschließend werden im Lamb Room Erfrischungen gereicht. Auch hierzu würden wir Sie gern begrüßen. Soweit mir bekannt ist, kennen Sie sich hier im College recht gut aus, richtig?«
Du hast Erkundigungen über mich eingezogen, dachte Kate. »Ich hoffe es«, sagte sie vorsichtig. »Der Portier kann mir aber sicher sagen, wohin ich mich wenden soll. Übrigens: Woher haben Sie meine Telefonnummer?«
»Sie steht im Telefonbuch«, antwortete Alec Malden milde und legte auf.
Natürlich hatte er Recht; trotzdem fand sie ihn ein wenig unheimlich.
Andererseits freute sie sich, dass er daran gedacht hatte, ihr Bescheid zu sagen. Nach dem unvermuteten Ableben der Fosters und Jeremys plötzlichem Tod brauchte sie irgendeine Art von Zeremonie, um wieder zur Normalität zurückkehren zu können. Von einer Feier für die Fosters war nie die Rede gewesen, und Kate wusste auch nicht, wer so etwas hätte organisieren sollen. Das Bild der beiden wie zerbrochen daliegenden Körper auf dem Gartenweg stahl sich in ihr Gedächtnis, doch sie schob es resolut von sich.
Beerdigung , 11 Uhr , schrieb sie in ihren Kalender. Sie würde das schwarze Kostüm anziehen, das sie letztes Frühjahr gekauft hatte. Die Frage nach einem Hut verwarf sie. Ein schwarzer Hut würde übertrieben wirken, eine andere Farbe hingegen sähe vermutlich ein wenig frivol aus. Ein schwarzes Kostüm, unpraktische Schuhe und auffällige Ohrringe wären genau das Richtige. Schließlich hatte sie Jeremy kaum gekannt.
Die dritte Unterbrechung erfolgte in Form eines Anrufs von Emma. Ein wenig gelangweilt lauschte Kate der inzwischen schon gewohnten Litanei von Verhaltensauffälligkeiten bei Sam, und als Emma ihren ebenfalls bereits vorhersehbaren Klageruf »Kate, was soll ich denn nur machen?«, ausstieß, gab Kate ihr die längst fällige Antwort.
»Wenn du es wirklich wissen willst und keine Möglichkeit siehst, ihn direkt zu fragen, musst du es eben hintenherum versuchen.«
»Was?« Emmas normalerweise wacher Verstand schien unter ihrer Schwangerschaft gelitten zu haben.
»Um es kurz und prägnant auszudrücken: Du musst seine Taschen durchsuchen. Halte Ausschau nach belastenden Rechnungen, Notizzetteln und unbekannten Telefonnummern. Vor allem Handynummern sind äußerst verdächtig«, fügte sie locker hinzu. Sie begann, Spaß an der Sache zu bekommen. Und ehrlich gesagt wurde sie allmählich selbst ein wenig neugierig, was Sams Verhalten anging.
»So etwas könnte ich nie im Leben tun«, sagte Emma verzweifelt.
»Klar kannst du«, erklärte Kate beruhigend.
»Und wenn die Kinder mich dabei beobachten? Sie würden es Sam sicher sofort erzählen.«
»Dann wartest du eben, bis sie in der Schule sind«, schlug Kate geduldig vor. Sie hatte zwar keine Ahnung, was die unterschiedlichen Entwicklungsstadien bei Kindern anging, doch sie war fast sicher, dass die Jüngsten noch viel zu klein waren, um etwas ausplappern zu können. Andererseits traute Kate gerade den Kindern von Emma und Sam durchaus zu, sprachlich so frühreif zu sein, dass sie einen genauen mündlichen Bericht eines jeden von ihnen beobachteten Ereignisses abliefern konnten.
»Meinst du wirklich?«
»Und wenn du schon einmal dabei bist, wirf auch einen Blick in seine Aktentasche. Und vergiss die Sporttaschen nicht.«
»Möglicherweise finde ich etwas, was sein Verhalten erklärt«, sagte Emma langsam.
»Es wird vermutlich kaum ein eindeutiger Beweis dabei sein«, räumte Kate ein. »Und das wahrscheinlichste Ergebnis dürfte sich auf null Komma nix belaufen. Keine Telefonnummern, keine merkwürdigen Rechnungen und keine von schönen Frauen zugesteckten Zettel.« Der
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