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Bollinger und die Barbaren

Titel: Bollinger und die Barbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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davon. Ich wandte mich zu der blonden Frau um. Sie rieb sich die nackten Oberarme und zitterte.
     Dann sah ich es im Heckfenster: Die drei Hagenaus schoben eines der alten Schrottfahrzeuge an.
    »Sie folgen uns«, sagte ich.
    »Ich weiß.« Louis schaute in den Seitenspiegel und gab noch mehr Gas. Die Reifen drehten auf dem schlammigen Untergrund durch.
     Der Motor heulte auf. Auch die Frau im grünen Kleid schaute sich um. Als sie den Wagen der Hagenaus entdeckte, duckte sie
     sich auf der Rückbank – wie ein Tier in Todesangst.
    Louis ächzte hinterm Steuer, und der Motor röhrte. Doch dann griffen die Räder, und wir wurden schneller. Als sie sich sicherer
     fühlte, setzte sich die Frau im Fond wieder aufrecht hin.
    »Wie heißen Sie?«
    Sie lächelte unsicher und schaute aus dem Seitenfenster – obwohl |62| es dort nichts als Bäume und Gestrüpp, das gegen die Scheiben schlug, zu sehen gab.
    Straßer klebte an der Windschutzscheibe. Er raste rücksichtslos durch die Schlaglöcher. Offensichtlich bedeuteten die Hagenaus
     hier draußen eine größere Gefahr für ihn als im sicheren Schauren. Er schien großen Respekt vor ihren Waffen zu haben.
    »Das ist nicht in Ordnung«, sagte er mehrmals. Und: »Das hätten wir nicht tun dürfen. Die Hagenaus erschießen uns. Und wenn
     Sie mich fragen: Sie sind dabei nicht mal im Unrecht.« Er machte eine Kopfbewegung nach hinten. »Prügel gehören bei denen
     dazu wie bei anderen das Tischgebet.«
    Wir gewannen Abstand zu unseren Verfolgern. Die Hagenaus wurden langsamer. Sie lenkten den Schrottwagen an den Straßenrand.
     Ich sah, dass sie heraussprangen und den Wagen wieder ein Stück schoben. Der Motor sprang nicht mehr an. Auch Straßer, der
     die Augen nicht vom Rückspiegel ließ, atmete auf.
    Da piepste das Funkgerät. Es war Alain Miller.
    »Kommt sofort zum Wackesberg! Der Bürgermeister verlangt nach euch.«
     
    L ouis ließ sich nicht davon abbringen: Wenn Pierre Brück rief, gab es keinen Umweg mehr. Also mussten wir die junge Frau zum
     Wackesberg mitnehmen.
    Schon von Weitem sahen wir einen Wagen mit Frankfurter Kennzeichen am Bauzaun parken. Auf dem Gelände erwartete uns eine illustre
     Delegation. Pierre Brück war im blauen Anzug erschienen, er hatte sogar einen kleinen Ehrenstrauß am Revers – und an seinem
     Arm klebte die festlich herausgeputzte Gattin. Trotz der Mittagshitze trug Lotte ein hochgeschlossenes malvenfarbenes Kostüm
     und ein blaues Jägerhütchen. Sie war wohl am Morgen noch schnell beim Frisör gewesen.
    Brück führte einen fremden Herrn in einem bordeauxroten Anzug über den Wackesberg. Sein rosafarbenes Hemd hatte Rüschen an
     den Manschetten und am Kragen. Er war klein und |63| drahtig. Ich hatte den Eindruck, dass er eine Perücke trug. Der Fremde hatte ein scharf geschnittenes, aber etwas ausdrucksloses
     Profil. Seine Haut war weiß und weich wie bei einer Wachspuppe.
    Auch er war in Begleitung. Sie war sehr, sehr schlank und einen guten Kopf größer als er. Ich sah sofort, dass es sich um
     eine Tänzerin handelte. Für so etwas habe ich einen Blick: die straffe Haltung, der leichte Schritt, der majestätisch vorgewölbte
     Brustkorb, die elegant durchgedrückte Wirbelsäule, die starken Schlüsselbeine. Auch das Gesicht war klassisch: unnahbar und
     sehr schön.
    Mir lief es kalt über den Rücken, als ich dieses berückende Wesen zum ersten Mal sah. Der Haaransatz der Frau war hoch wie
     bei einer ägyptischen Göttin, ihre Beine waren unendlich lang, ihre Taille war mädchenhaft schlank. Sie hielt sich ein, zwei
     Schritte hinter dem Herrn im bordeauxroten Anzug, wobei sie sich mit ihren hochhackigen, eleganten Schuhen sehr vorsichtig
     bewegte, während ihr Begleiter mit einem Stock in der Hand so achtlos vorwegrannte, dass er jeden Augenblick auf dem steinigen
     Wackesberg hinschlagen und sich seinen teuren Anzug ruinieren konnte.
    Ich sprang aus unserem Wagen und riss die hintere Tür auf, damit die junge Frau aussteigen konnte. Sie dankte mir mit einem
     zaghaften Lächeln. Zuerst dachte ich, sie würde in dem dünnen Kleid frieren. Aber sie rieb sich die Oberarme, weil sie verlegen
     war, nicht weil ihr kalt gewesen wäre.
    »Wir haben hier zu tun«, erklärte ich ihr.
    Sie schlug die Augen nieder.
    »Wohin wollen Sie denn?«
    Sie zuckte mit den Schultern.
    Louis kam um den Wagen herum. Er signalisierte mir, dass der Bürgermeister uns erwartete. Jetzt erst bemerkte ich, dass die
     vier näher gekommen waren

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