Bollinger und die Barbaren
schwärmte Cyril Schwierz so haltlos, als wäre er mit seiner Begleiterin allein. »Die
Geschäfte mache ich mit dem Kopf – aber ein gutes Geschäft ist nicht nur Kopfarbeit: Ohne Herzblut wird es nichts.«
Ellinor lächelte bemüht. »Sie können uns also garantieren, dass dieser Brand keinen kriminellen Hintergrund hatte?«, wandte
sie sich an Pierre Brück. Offensichtlich war sie nicht nur fürs Herz zuständig.
»Bei uns gibt es keine Kriminalität«, erklärte Brück großspurig, »dafür ist Schauren berühmt. Hier leben nur glückliche Menschen,
niemand kommt auf die Idee, zu stehlen oder gar einen Brand zu legen. Nicht wahr, Bollinger?« Ich war in einer Verlegenheit
– und Brück ließ mir nicht einmal Zeit. »Und außerdem könnten einem Kriminelle bei unserer Polizei nur leidtun.«
Er lachte laut und falsch. Schwierz stimmte piepsend ein. Ellinors Gesicht blieb kalt und schön und ausdruckslos.
»Es ist ganz einfach, lieber Herr Bürgermeister«, erklärte sie bestimmt. »Wir wollen hier Geld investieren. Viel Geld. Das
müssen wir uns beschaffen. Bei Banken und privaten Finanziers. Und diese Herrschaften reagieren äußerst empfindlich auf atmosphärische
Störungen. Brandstiftung ist eine erhebliche atmosphärische Störung. Wir müssten Sie regresspflichtig machen, falls Sie uns
etwas verschwiegen haben sollten ...«
Pierre Brück war bleich geworden. Er schaute Schwierz Hilfe suchend an, doch der nickte nur heftig. Offensichtlich hatte die
schöne Ellinor in der Firma nicht nur den Durchblick, sondern auch das Sagen.
|67| »Nun sagen Sie doch auch mal was, Bollinger!«, flehte Brück.
Ich räusperte mich umständlich. Sollte ich jetzt den Erhängten erwähnen? Das wäre der sicherste Weg, den Investor und sein
künstlerisches Herz zu vertreiben. Schauren würde wieder in der Bedeutungslosigkeit versinken und der Wackesberg würde weiterhin
das Ortsbild verschandeln.
»Schauren ist ein ausgesprochen friedlicher Ort. Schon während meiner Tätigkeit in Saarbrücken haben mich die jährlichen Statistiken
der Kollegen hier erstaunt: Es gibt in dieser Gemeinde einfach keine Kriminalität. Das Phänomen ist mittlerweile schon in
die internationale Fachliteratur eingegangen.«
Brück klatschte zufrieden in die Hände. »Nun haben Sie es sogar vom Fachmann.«
Ellinors Augen strahlten mich an, ich fühlte mich wie unter einem Suchscheinwerfer.
»Schön. Dann können wir uns also auf Ihre Unterstützung verlassen?«
Cyril Schwierz schob sich vor. »Wir legen größten Wert auf einen reibungslosen Ablauf unserer Arbeit. Sollten irgendwelche
Hemmnisse auftreten, würden wir uns unverzüglich zurückziehen.«
Nun war es Zeit zu intervenieren. Ich war der Chef der örtlichen Polizei, kein Boss einer Wach- und Schließgesellschaft. Noch
waren wir nicht so weit, dass die Beamten ihre Anweisungen von Investoren bekamen. Doch wieder kam mir Brück zuvor.
»Machen Sie sich keine Sorgen! Felix Bollinger ist ein erfahrener Sicherheitsfachmann aus Deutschland. Er ist sogar der Beste
auf seinem Gebiet.«
Ellinor schaute mich lange an und sagte dann: »Das haben wir längst bemerkt.«
Ich hätte in ihren Augen versinken können – und das überraschende Lob des sonst so kritischen Bürgermeisters vermittelte mir
ein angenehmes Gefühl der Zufriedenheit und Stärke. Also beschloss ich, das gute Einvernehmen nicht durch Kompetenzgerangel
zu trüben.
|68| Cyril Schwierz setzte seine Wanderung über den Wackesberg fort. Wir anderen folgten ihm mit etwas Abstand – er sollte seine
Visionen in aller Ruhe entwickeln können.
»Wir brauchen Parkplätze, Herr Bürgermeister. Was meinen Sie, kann die Gemeinde genügend Gelände bereitstellen – für die Reisebusse?«
»Also wenn wir etwas in Schauren im Überfluss haben, dann ist es Parkraum, nicht wahr, Bollinger?«
»Stimmt. Wir könnten locker Parkraum für ein Bundesligaspiel aufbieten.«
Schwierz blieb stehen und zeigte mit einem Metermaß, das plötzlich seiner Rechten entwachsen war, auf mich.
»Das müssen Sie auch, Herr Polizeichef. Es werden sehr, sehr viele Menschen nach Schauren kommen. Wahre Menschenmassen aus
Süddeutschland und Nordfrankreich. Sie werden mit Reisebussen herangekarrt und müssen in Schauren versorgt und untergebracht
werden.«
»Wir haben eine ausgezeichnete Gastronomie. Die Schaurener Esskultur ist berühmt in der Region ...«
»Wir setzen auf international food . Das bieten wir den
Weitere Kostenlose Bücher