Bollinger und die Barbaren
die Zigeuner. Und unsere Frauen
sind dann auch nicht mehr sicher. Und jedes Mal, wenn was passiert, wird es dann heißen, unsere Polizei sei unfähig. Solange
wir die Pest noch nicht hier hatten, wärt ihr herumstolziert wie die Pfaue, aber jetzt, wo ihr Flagge zeigen müsstet, würdet
ihr euch im Revier verschanzen.« Er winkte ab, obwohl ihm keiner widersprochen hatte. »Mir könnt ihr nichts erzählen, von
wegen liberale Methoden und Soziologie. Ich habe die Gemeinden im Süden gesehen. Da sieht’s aus wie in Afghanistan.« Er ächzte
und schaute mit glasigen Augen in sein Glas. »Ich weiß mir nicht mehr zu helfen. Die in Metz meinen es diesmal ernst. Sie
haben sich Schauren ausgeguckt. Angeblich weil die Strukturen bei uns noch intakt sind. Die glauben, wir können eine Invasion
der Afrikaner verkraften.«
Er lachte böse auf. Höchste Zeit, dass ich etwas sagte.
»Herr Bürgermeister, ich glaube, Sie sehen da zu schwarz. Es gibt genug Beispiele für eine sinnvolle Integration ...«
»Aber wir wollen keine sinnvolle Integration, Bollinger!«, fuhr er mich an. »Wir wollen, dass die Schwarzfüße bleiben, wo
der Pfeffer wächst!«
Louis Straßer nickte mehrmals. Wie der Mohr in der Weihnachtskrippe.
»Wenn wir es schaffen, das Musicaltheater hierherzukriegen, sind wir aus dem Schneider«, sagte Brück beiläufig.
»Was hat das eine denn mit dem anderen zu tun?«
»Oh, sehr viel! Dieses Musical – das wird eine Angelegenheit |146| der Großregion. Saar-Lor-Lux, sage ich da nur. Meine Kollegen im Regionalrat in Saarbrücken bekommen ganz große Ohren, wenn
ich davon anfange. Wenn die Sache hier steht und so funktioniert, wie Schwierz das will – und der Mann versetzt Berge, glaubt
mir das –, dann wird keiner dieser Korinthenkacker in Paris oder in Metz es wagen, uns einen Eingeborenenstamm vor die Nase
zu setzen. Dann bleiben nämlich die Besucher weg. Oder glaubt ihr, die Hautevolee von Frankfurt oder München, Straßburg oder
Lyon lässt sich, wenn sie ins Theater geht, gerne von schmutzigen Kindern anbetteln oder von betrunkenen Afrikanern belästigen?
Nee, wenn Schwierz kommt, ist die Sache für uns geritzt. Dann sind wir nicht nur finanziell aus dem Schneider, sondern bleiben
auch von allen anderen Heimsuchungen verschont. Dann wird aus Schauren endlich eine reiche und glückliche Gemeinde.« Er zog
die Augenbrauen hoch. »Nur – Schwierz hat weiche Knie bekommen. Irgendwelche Deppen bombardieren ihn mit Faxen. Wahrscheinlich
Grüne aus Niederbronn. Sie wollen kein Musicaltheater in unserer Region – wegen des ländlichen Charakters. Gut, lasst diese
Dummköpfe reden! Solange sie nur quatschen, bleibt Schwierz im Boot. Aber wenn die anfangen hier rumzustänkern – Protestaktionen,
Blockaden, Hearings oder wie sie solchen Irrsinn nennen –, dann wird Schwierz seine Investoren nicht halten können. Es hängt
alles von euch ab, Jungs.«
»Wieso denn das?«
»Aber, Herr Bollinger, Sie sind doch ein intelligenter Mensch – das behauptet zumindest meine Lotte. Das können Sie sich doch
an fünf Fingern abzählen: Wenn ihr eure Arbeit tut und den Wackesberg hütet wie euren Augapfel, dann kann uns nichts passieren.
Ihr seid es, in deren Händen unsere Zukunft ruht. Ihr steht da draußen an der Front.«
Louis räusperte sich umständlich. »Mach dir keine Sorgen, Pierre. Wir fahren quasi jede Stunde dort vorbei und sehen nach
dem Rechten.«
Brück schüttelte den Kopf. »Jede Stunde, das ist viel zu wenig, Louis. Und was ist nachts?«
|147| »Nachts?«
»Ja, nachts, verdammt noch mal!«
Straßer wartete darauf, dass ich ihm beistand. »Wir haben bisher noch keine Notwendigkeit gesehen, dort nachts Streife zu
fahren.«
»So, dann denken Sie mal drüber nach, Bollinger! Wenn nämlich auf dem Wackesberg noch was passiert und Schwierz haut ab, dann
werden alle in der Region einen Schuldigen für das Desaster suchen. Und wir haben die Schwarzfüße in unseren Vorgärten sitzen.
Möchten Sie daran schuld sein?«
Brück klemmte sich die ungeöffneten Flaschen Champagner unter den Arm und stand auf. »In diesem Sinne, meine Herren.«
In der Tür stieß er mit Alain Miller zusammen. Der dicke Polizist trug in der Rechten einen Eimer mit in Rahmsoße eingelegten
Heringsfilets und unter dem linken Arm vier flûtes . Aus einer Plastiktasche ragte eine Salami.
»Miller, weißt du nicht, wie ungesund es ist, so was schon zum Frühstück zu vertilgen?«,
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