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Bollinger und die Barbaren

Titel: Bollinger und die Barbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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Beule an meiner Hose zu verdecken. Doch dann sprang sie plötzlich auf und
     schrie Agneta an:
    »Sieh dir das an, du bist schuld!«
    |151| Ein Raunen ging durch den Saal. Agneta wich erschrocken zurück.
    »Aber ich habe doch gar nichts gemacht. Ich wollte nur freundlich sein.«
    »Du Luder!«, brüllte Lotte.
    Das Publikum zischte. Ich wollte fliehen, doch ich konnte nicht. Es entstand ein Tumult – im Zuschauerraum und auf der Bühne.
     Dann sah ich Agneta, die die Hände vors Gesicht geschlagen hatte. Alle zeigten mit den Fingern auf sie, und sie weinte bittere
     Tränen.
     
    I ch weiß nicht, wie lange mein Handy schon geläutet hatte, als ich endlich aufwachte. Alain Miller war dran.
    »Um null drei zwölf sind drei verdächtige Personen über den Bauzaun geklettert.«
    Er hatte mich aus dem Albtraum herausgerissen. »Was ist los?« Miller seufzte. »Um drei Uhr und zwölf Minuten sind drei vermummte
     Typen über den Zaun drüber.«
    Im Dunkeln suchte ich meine Kleider zusammen. Ich stieß mit dem Schienbein gegen den Bettpfosten. Es tat höllisch weh.
    »Soll ich rein und sie stellen?«, fragte Miller.
    Er war allein auf dem Wackesberg. Das konnte gefährlich werden.
    »Nein. Rufen Sie Straßer an! Ich bin in fünf Minuten da.«
     
    A m Zaun war alles ruhig. Miller hatte den Dienstwagen unter der großen Linde am Rand des Geländes geparkt. Louis Straßer saß
     bereits auf dem Beifahrersitz. Sicher hatte er nicht schlafen können. Sonst wäre er nicht so schnell vor Ort gewesen. Miller
     war jetzt gelassener. Das machte wahrscheinlich die Anwesenheit von Louis Straßer.
    Ich stieg hinten ein. Wir starrten in die Dunkelheit und schwiegen.
    |152| »Und du bist sicher, dass da jemand rein ist, Alain?«, fragte Louis müde.
    »Hundertpro. Drei Typen. Total vermummt. Blitzschnell waren die. In schwarzen Klamotten. Wenn ihr mich fragt: Anarchisten.
     Wahrscheinlich aus Niederbronn. Jeder hatte einen Kanister in der Hand.«
    Straßer gähnte, seine Kieferknochen knirschten. »Anarchisten? Alain, bei uns gibt’s keine Anarchisten. Auch in Niederbronn
     nicht. Dort wohnen bloß durchgeknallte Grüne. Kann es nicht sein, dass du eingepennt bist und das bloß geträumt hast?«
    »Was mich interessieren würde«, mischte ich mich ein, »warum haben Sie die Burschen nicht daran gehindert, über den Zaun zu
     steigen, Miller?«
    Miller schwieg und drehte an einem Hebel, worauf die Scheinwerferbatterie auf dem Dach des Dienstwagens aufglühte. Der Bereich
     vor dem Bauzaun wurde in gleißendes Flutlicht getaucht. Wie in einem Fußballstadion. Die drei übereinandergeschichteten Container
     der Bauleitung lagen im Halbdunkel jenseits der Absperrung. Am Ende des Zauns leuchtete etwas. Etwas Knallbuntes. Jemand hatte
     mit roter Farbe eine Parole hingesprüht. In riesigen Versalien. Ich kniff die Augen zusammen.
    WIR WOLLEN KEIN MUSICAL AUF DEM GELÄNDE DES EHEMALIGEN KZ SCHRAUREN!
    »Das waren sie, die Anarchisten. Glaubt ihr mir jetzt?«
    Wir starrten auf die Schrift. Ich dachte an die bunten Plakate auf Cyril Schwierz’ Straßenkreuzer. An Anna-Agneta und an den
     Toten, der beim großen Brand im Gebälk der Ruine auf dem Wackesberg gehangen hatte. Das also hatten der alte Hagenau und Claire
     Chariot gemeint: das KZ Schauren.
    Dann knallte es hinter dem Bauzaun. Eine Stichflamme schoss in den Nachthimmel hoch und erleuchtete für eine Sekunde den silbergrauen
     Turm der Bürocontainer taghell. Es stank nach Benzin.
    »Das war eine Verpuffung!«, sagte Straßer tonlos.
    »Die Anarchisten! Sie jagen die Bauleitung in die Luft.«
    |153| Miller startete den Motor und gab Gas, der schwere Wagen ruckte und schoss vor. Die stählernen Kuhfänger knickten die Streben
     des Bauzauns wie Seidenpapier, wir rollten über ihn hinweg. Sobald das Hindernis überwunden war, fuhren wir zügig den Hügel
     zur Wackesberg-Ruine hinauf.
    In den Lichtkegeln von Alains Halogenscheinwerfern konnten wir drei schwarz gekleidete Männer ausmachen. Alain hatte also
     richtig beobachtet. Sie waren dabei, zwei Kanister an der Seitenwand der Container auszukippen. Der Kunststoff würde, wenn
     er erst einmal brannte, die ganze Gegend verpesten.
    Es war eine unwirkliche Szene – der theaterbegeisterten Lotte hätte sie gewiss gefallen. Die drei agierten wie Tänzer in einem
     expressionistischen Stück. Sie nahmen keine Rücksicht auf sich, sie verspritzten das Benzin, als wäre es Wasser. Der dritte
     Kanister lag zerborsten und verkohlt am

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