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Bollinger und die Barbaren

Titel: Bollinger und die Barbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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Lotte Brück gesprochen?«, fragte sie unvermittelt.
    »Nein. Ich wollte noch warten.«
    »Gut«, sagte sie und streckte sich. Sie trug einen engen schwarzen Hosenanzug, ich sah die straffen Sehnen ihrer Beine. Claire
     Chariot hatte wirklich noch einiges zu bieten.
    »Hören Sie, Bollinger: Sie können von mir das haben, was Sie |138| verlangen. Aber ich muss sicher sein, dass niemand etwas erfährt.«
    Ich dachte nach. Was beabsichtigte Claire Chariot? Spielte sie ihr eigenes Spiel oder hatte Pierre Brück sie geschickt?
    »Auch Pierre Brück nicht«, sagte sie leise.
    Das war interessant. Sie handelte also nicht im Auftrag des allmächtigen Bürgermeisters.
    »Er würde das nicht gutheißen, was ich gerade tue.«
    Sie versuchte die Beine übereinanderzuschlagen, und ich spürte, wie meine Oxytocin-Produktion wieder anlief.
    »Sie bekommen von mir das Telefon des Marschalls – und dafür schweigen Sie! Vor allem darüber, dass Sie das Telefon von mir
     haben.«
    »Sie haben es also gestohlen?«
    Claire Chariot seufzte. »Das wissen Sie doch längst.«
    »Und warum haben Sie es getan?«
    »Um Schauren zu retten.«
    »Wie bitte?«
    Sie richtete sich auf und räusperte sich. Claire Chariot war jetzt sehr ernst.
    »Auf dem Wackesberg liegt unsere Zukunft. Schauen Sie sich doch mal die umliegenden Gemeinden an! Waren Sie schon mal in Rambach?«
    »Ja, schon oft. Es ist schön da oben.«
    »Schön? Es ist ein Geisterdorf! Die Jungen gehen alle weg. Sie suchen sich Arbeit in der Ebene. Schauren wird auch bald so
     sein. Wenn wir nicht das Musicaltheater bekommen.«
    Das klang sehr nach Pierre Brück. Aber was hatte das Telefon von Pétain mit dem Theater zu tun?
    »Diese Sache mit dem Toten auf dem Wackesberg und der Lärm, den Sie darum machen. Das verschreckt die Investoren. Und es schadet
     uns. Die alten Geschichten – es ist besser, das bleibt unter dem Deckel.«
    Ich musste auflachen. »Eine seltsame Position für eine Heimatforscherin.«
    |139| »Sie müssten mal hören, was die Alten dazu sagen, die die Zeiten noch erlebt haben. Der Wackesberg, der liegt vielen auf der
     Seele.«
    »Welche Zeiten meinen Sie denn? Was ist denn früher da passiert?«
    »Es heißt, auf dem Wackesberg liegt ...«
    »Ich weiß: ein Fluch. Aber das ist kindisch. Dort muss etwas vorgefallen sein. Sie wissen sicher Bescheid. Gewiss haben Sie
     während Ihrer Nachforschungen für das Heimatmuseum etwas in Erfahrung gebracht.«
    Ihre Stimme überschlug sich. »Lassen Sie uns zu unserem Geschäft kommen!« Sie räusperte sich. »Sie bekommen von mir das Telefon
     und dafür ...«
    So einfach ging das nicht. »Sie haben eine Straftat begangen. Diebstahl, Irreführung der Polizei.«
    Sie verbarg ihr Gesicht in den Händen. »Ich dachte halt, ich gebe Ihnen eine Aufgabe. Etwas, womit Sie Ruhm ernten können.
     Dann lassen Sie den Wackesberg endlich ruhen.« Sie schluchzte. »Aber Sie haben ja schon im Keller des Rathauses bemerkt, dass
     da was nicht stimmt. Ich konnte doch nicht ahnen, dass Sie ...«
    Jetzt kamen die Tränen. Es geschah sicher nicht oft, dass diese Frau weinte.
    »Und jetzt?«, fragte ich.
    Sie zuckte schniefend mit den Achseln. »Ich will meine Arbeit nicht verlieren. Bitte, versprechen Sie mir, dass Sie schweigen!
     Sie haben ja auch etwas davon – Sie können stolz verkünden, dass Sie das Telefon von Marschall Pétain wiederbeschafft haben.
     Versprechen Sie’s?«
    Meine Stimme klang belegt, als ich antwortete: »Ja, ich verspreche es Ihnen.«
    Sie fiel mir um den Hals. »Danke! Sie sind ein Schatz.«
    Ich war benommen, konnte mich nicht bewegen.
    Sie ließ mich los und hauchte: »Pardon.«
    »Und welche Rolle spielt der Bürgermeister?«
    |140| »Sie haben es versprochen! Kein Wort zu ihm! Er würde mich auf der Stelle rauswerfen.«
    Sollte Claire Chariot sich den fingierten Diebstahl wirklich allein ausgedacht haben? Um Pierre Brück zu helfen? Aus Liebe
     zum Bürgermeister? Zuzutrauen wäre es ihr.
    Wir stiegen aus und gingen zu ihrem Wagen zurück. Sie öffnete den Kofferraum, hob einen verstaubten Karton heraus und übergab
     ihn mir. Claire Chariot lächelte schwach. Sie schien erleichtert.
    Da sah ich den Dienstwagen unseres Reviers auf den Rastplatz einbiegen. Mit dem Scheinwerfer leuchtete der Fahrer die Innenräume
     der Wagen aus. Er ließ sich dafür Zeit.
    »Schnell!«
    Ich stellte den Karton zurück und schlug den Kofferraumdeckel zu. Wir flüchteten uns in den Wagen des Doktors.
    »Das ist Alain

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