Bomann, Corinna - Clockwork Spiders
fliegenden Affen und dem Löwenkäfig vorbei lief Violet zum Wassertank, der nur darauf wartete, in die Manege gefahren zu werden. Als sie das mächtige wassergefüllte Behältnis passiert hatte, erschien vor ihr der Hintereingang des Zeltes. Da die Artisten vor ihrem Auftritt nichts weniger schätzten als Ablenkung, schob sie kurzerhand die Zeltplane zur Seite. Lautes Gemurmel schlug ihr entgegen, und der Duft von gebrannten Mandeln und Zuckerwatte stieg ihr in die Nase. Nachdem sie sich kurz umgesehen hatte, stellte sie fest, dass sie sich unterhalb der ersten Loge befand. Wenn sie sich unter den erhöht angeordneten Sitzen entlang schlich, würde sie hinter den Vorhang gelangen, durch den die Artisten zu ihrem Auftritt gingen. Dort würde auch Mr Blakley auf seine Einsätze warten.
Während die Dampforgel begann, die erste Melodie zu spielen und die ersten Artisten saltoschlagend in der Manege auftauchten, setzte Violet ihren Plan in die Tat um. Als die Zuschauer erstaunte »Ah!« – und »Oh!« -Rufe ausstießen, fragte sie sich, was die Akrobaten da machten, doch Zeit, um einen Blick zwischen den Hosenbeinen und Rocksäumen hindurch zu riskieren, hatte sie nicht.
Als sie endlich den Vorhang erreichte und dahinter verschwand, kehrte Blakley gerade von seiner Ansage zurück. In seinem pfauenblauen Frack und mit dem Zylinder auf dem Kopf hätte man ihn leicht mit einem Dandy verwechseln können. Das Violett seines Halstuchs gefiel Violet ebenfalls außerordentlich.
»Psst!«, machte sie, woraufhin sich der Zirkusdirektor umwandte.
»Wer ist da?« Noch geblendet von den Scheinwerfern, die die Manege erhellten, konnte er Violet im Zwielicht nicht gleich ausmachen.
»Mr Blakley, ich muss Sie unbedingt sprechen«, wisperte sie hinter dem Vorhang hervor.
»Lady Violet, wie kommen Sie …«
»Ich kenne mich bestens in Ihrem Zelt aus, wissen Sie das nicht mehr?«
»Natürlich weiß ich das, aber warum sind Sie nicht vor der Vorstellung zu mir gekommen?«
»Weil es hier ringsherum nur so von Leuten gewimmelt hat. Kaum zu glauben, dass Sie alle in diesem Zelt unterbringen können.«
»Wenn sie sitzend oder stehend unseren Attraktionen folgen, nehmen Sie nicht viel Platz weg.« Prüfend warf Blakley einen Blick nach vorn, doch Hiracus’ Kraftnummer war noch nicht beendet. »Ich nehme an, Sie kommen wegen Lady S.«
Wenn er einen geheimen Auftrag hatte, neigte Mr Blakley dazu, die Namen der Zielpersonen abzukürzen.
»Gewissermaßen. Ich würde mich gern ein wenig in ihrem Haus umsehen. Gestern ist jemand in mein Labor eingedrungen und hat eine ziemliche Unordnung hinterlassen. Ich bin mir nicht sicher, ob die Spy Mistress dahintersteckt oder jemand anderes.«
»Also wollen Sie bei jemand anderem nach Spuren suchen.«
Violet nickte. »Die Männer haben etwas gesucht. Die Kapsel aus Broockstons Hals. Leider haben sie sie auch gefunden. Ich könnte mich in den Hintern beißen, dass ich sie nicht bei mir getragen habe.«
»Lassen Sie es mich wissen, ob Ihnen das gelingt«, entgegnete Blakley verschmitzt. »Ich meine das In-den-Hintern-Beißen. Dann werde ich noch einen Versuch starten, Sie anzuwerben.«
Violet wollte schon kritisch anmerken, dass jetzt nicht die Zeit für irgendwelche Witze war. Da brach das Publikum in Beifall aus.
»Ich bin gleich wieder bei Ihnen«, sagte Blakley, während er sein Megafon anschaltete. »Dann erfahren Sie von mir alles, was Sie wissen müssen.«
Als Violet sich umwandte, sah sie Estella mit ihren halb mechanischen Pferden. Beruhigend redete die blonde Frau, die in ihrer goldenen Rüstung aussah wie eine Mischung aus Walküre und griechischer Göttin, auf den Leithengst ein, der dafür verantwortlich war, dass die gesamte Nummer stimmte.
Ihr entgegen kam Hiracus mit seinen Gewichten. Der halb mechanische Mann ging um Violet herum, ohne dass er sie zu bemerken schien. Estella dagegen warf er eine Kusshand zu, dann verschwand er nach draußen. Wenig später hörte Violet ihn nach dem Maschinisten rufen. Offenbar hatte er sich an einem seiner mechanischen Teile etwas zugezogen.
Bevor Violet hören konnte, was genau er wollte, huschte Estella leichtfüßig an ihr vorbei, gefolgt von ihren Pferden. Genau in dem Augenblick, als Blakley ihren Namen rief, tauchte die Dresseurin unter dem tosenden Applaus der Zuschauer in das Rampenlicht ein. Violet spürte das Donnern der Pferdehufe unter ihren Füßen, und noch während sie den Tieren fasziniert nachsah, stand Blakley wieder neben
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