Bomann, Corinna - Clockwork Spiders
vielleicht auch mit Annabelle Sharpe persönlich, dachte Violet, und da war er wieder, der scharfe Stachel der Eifersucht. Sie straffte sich. »Kommen Sie, Alfred, in diesem Augenblick kann ich mir nichts Besseres vorstellen, als irgendwas zu erfinden.«
Eine halbe Stunde später erreichten sie Southwark, wo eine unangenehme Überraschung sie erwartete. Schon als sie sich dem Gebäude näherten, hatte Violet ein seltsames Gefühl. Dieses bestätigte sich, als sie sahen, dass die Tür zum Durchgang eingetreten war. Offenbar hatte sich hier jemand nicht die Mühe machen wollen, das Schloss zu knacken.
Erschrocken schlug Violet die Hand vor den Mund und blieb stehen.
»O mein Gott!«
Neben ihr schnaufte Alfred erbost. »Bleiben Sie besser hier, Mylady, ich sehe nach, was los ist.«
»Nein, Sie gehen nicht allein!«, entgegnete Violet. »Die Kerle könnten noch immer dort sein.«
»Aber Mylady …«
»Keine Widerrede, Alfred! Das ist mein Labor, also gehen wir gemeinsam hinein!« Entschlossen hob sie ihren Schirm und ging voran.
Nachdem Alfred den gesplitterten und schief hängenden Türflügel beiseitegeschoben hatte, traten sie in den Durchgang. Ohne Licht zu machen, erkannte Violet bereits, dass sämtliche Fensterscheiben des Labors eingeschlagen worden waren. Böse glitzerten die Scherben im orangefarbenen Zwielicht, das in diesem Stadtteil allgegenwärtig war.
»Offenbar sind die Burschen schon wieder abgezogen«, bemerkte Alfred säuerlich. »Bestimmt war das ein kleines Dankeschön dafür, dass wir den Schlägern in der vergangenen Nacht das Fell gegerbt haben.«
Violet konnte darauf erst einmal nichts sagen. Gewiss hatten die Schläger es nicht dabei belassen, die Fenster zu zerstören.
»Vielleicht sollten wir die Polizei rufen«, schlug Alfred vor. »Sie wissen, mir behagt es gar nicht, den Bobbys zu begegnen, aber dennoch handelt es sich hier um ein Verbrechen.«
»Eines, das von Annabelle Sharpe angeordnet wurde«, gab Violet zurück. »Sicher steckt sie dahinter. Ich habe ihre Warnung missachtet, wahrscheinlich sind wir zu jeder Stunde beobachtet worden. Auf Black wollte ich auch nicht hören, also hat sie zu dieser Methode gegriffen.«
»Aber Black hat doch ausdrücklich gesagt, dass er mit ihr nichts zu tun hat. Außerdem, woher soll sie auf die Schnelle Leute herbeordern? Wie das hier riecht, müssen die Männer schon seit einer Weile fort sein, außerdem weiß ich aus Erfahrung, dass es dauert, bis man einen Ort so zugerichtet hat.«
Da hatte er wohl recht, trotzdem war Violet der festen Überzeugung, dass Black etwas mit der Sache zu tun hatte. »Ich bleibe dabei, keine Polizei. Die würden wissen wollen, wem das Labor gehört, herausfinden, dass ich Violet Adair bin und dann meinen Vater benachrichtigen. Die Folgen können Sie sich ausmalen.«
»Aber wenn ich Sie recht verstanden habe, haben Sie Ihrem Vater gebeichtet, dass Sie in dem Fall ermitteln.«
»Nicht so ganz, ich habe es angedeutet. Von meinem Labor weiß er nichts. Und das soll auch so bleiben, und eines Tages werden wohl wieder normale Verhältnisse herrschen.«
»Das hoffe ich, Mylady.« Prüfend blickte Alfred auf das Laborgebäude. »Wenn wir nun schon keine Polizei holen -was ich mit Verlaub immer noch für das Beste hielte …«
»Alfred!«, mahnte Violet genervt. »Die Polizei würde sowieso keine Zeugen finden, denn in dieser Gegend sind die Menschen mit Taubheit und Blindheit geschlagen, sobald ein Uniformträger vor ihnen steht. Das müssten Sie doch am besten wissen.«
»Also gut«, entgegnete Alfred seufzend.
Den Anblick, der sich ihnen bot, als sie durch die nur noch in einer Angel hängende Labortür schritten, hätte sich Violet in ihren schlimmsten Albträumen nicht ausmalen können.
Nahezu alles war durchwühlt oder kurz und klein geschlagen worden. Holzwolle, vermengt mit Schrauben, Muttern, Bauteilen, Kabeln und Werkzeugen, bildete auf dem Fußboden ein bizarres Kunstwerk.
»Offenbar hat hier jemand nach etwas gesucht«, erklärte Alfred, als er die Lage überblickt hatte. »So gehen Einbrecher nur vor, wenn sie etwas Bestimmtes wollen.«
Violet warf einen Blick auf ihre gefährliche Waschmaschine, die die Diebe offenbar nicht hatten haben wollten. Dabei kam ihr ein Gedankenblitz. Mit großen Schritten durchquerte sie die Unordnung, bis sie an ihrem Arbeitstisch ankam. Dort reichte ein Blick, um festzustellen, dass etwas ganz Bestimmtes fehlte.
»Die Kapsel. Oder besser gesagt: die Reste der Kapsel
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