Bomann, Corinna - Clockwork Spiders
logisch, dass sie sich für Moray interessierte, nachdem er um ihre finanzielle Unterstützung angesucht hatte. Bisher habe ich noch keine Beweise dafür, doch ich bin sicher, dass sie schon zum Zeitpunkt des Anschlags in Delhi seine Geldgeberin und Geliebte war. Meine eigene Tante, die meine Verlobte sogar kannte, hat es gewagt, für einen vom Größenwahn besessenen Mann mein Glück zu zerstören.«
Zorn verhärtete Hieronymus’ Züge, doch dann schlich sich ein trauriger Zug um seine Lippen. »Ich dachte, mich trifft der Schlag, als ich das herausgefunden habe. Von dem Augenblick an spielte ich den Labilen und nahm mir vor, meiner Tante den Verrat heimzuzahlen, sobald sich eine Gelegenheit ergeben würde. Als ich dann auf Sie traf, als ich Sie beobachtete und herausfand, dass Sie in den Mordfällen ermitteln – ich habe da auch so meine Methoden, glauben Sie mir –, wusste ich, dass die Zeit gekommen ist. Und dass ich eine Verbündete haben würde. Eine, die vielleicht etwas schwierig ist, aber dennoch klug und mit einem guten Herzen.« Jetzt sah er sie wieder an. »Eigenschaften, die ich an einem Menschen sehr schätze, müssen Sie wissen. Meine Sarah war auch eigensinnig, klug und gutherzig.«
Wieder wurde Violet von Scham überfallen, doch diesmal nicht, weil sie sich irgendwelche Dinge einbildete, sondern weil sie bisher noch nicht darüber nachgedacht hatte, wie sehr Black seine Sarah geliebt haben musste und wahrscheinlich immer noch liebte. Was war sie nur für ein Trampeltier!
»Auf alle Fälle hat Moray neben seinem Größenwahn noch eine andere Macke«, erklärte Black, jetzt beinahe belustigt.
»Und welche?«, fragte Violet.
»Die Zeit. Moray ist besessen von der Zeit. Das Motto seiner Familie ist: Tempus fugit.«
»Die Zeit vergeht.«
»Ganz richtig. Und was mich betrifft, so finde ich, dass seine Zeit abgelaufen ist. – Da hinten ist Highgate.«
Als Violet aus dem Fenster sah, fühlte sie sich in ihrem Eindruck, dass Highgate eine Miniaturabbildung von London war, bestätigt. Zwar gab es keine Themse, aber einen breiten Mittelweg, der die nördliche und die südliche Hälfte voneinander trennte. Und tatsächlich waren die Armengräber an der Stelle, wo in London das East End lag.
»Wissen Sie denn, wo sich die Gruft der Morays befindet?«
»Natürlich!«
»Und was machen wir, wenn sie uns bereits erwarten?«
»Davon müssen wir ausgehen«, entgegnete der General lächelnd. »Allerdings sind wir beide bewaffnet und können uns zur Wehr setzen. Wir werden uns schon durchkämpfen, keine Sorge.«
Black landete das Luftschiff auf dem Ende des Friedhofes, das erst vor Kurzem gerodet worden war, um Platz für neue Gräber zu schaffen. Der Weg zur Gruft der Morays, die sich so ziemlich in der Mitte befand, gab ihnen die Zeit, ihre Taktik ein wenig zu besprechen.
»Halten Sie sich möglichst hinter mir, wenn es zum Schusswechsel kommt«, referierte Hieronymus wie ein junger Universitätsprofessor. »Beim Nahkampf können Sie meinetwegen zeigen, was in Ihnen beziehungsweise Ihrem Schirm steckt. Ist es eigentlich möglich, bei diesem Schirm die Stromstärke einzustellen?«
»Bisher nicht.«
»Sie sollten dringend eine Vorrichtung dafür erfinden. Es wäre sehr reizvoll, wenn man zwischen Schmerzen zufügen, betäuben und töten wählen könnte.«
»Töten?«, fragte Violet entsetzt. »Ich erfinde doch nichts, um Menschen zu töten!«
»Für die Militärtechnik wäre das aber eine gute Sache«, hielt Black dagegen.
»Für das Militär würde Betäuben oder Lähmen auch schon genügen. Todeswaffen sollen sich andere ausdenken, nicht einmal Mr Stromburgh entwickelt Waffen.«
»Sagen Sie bloß, Sie bewundern diesen Schaumschläger.«
»Bewundern trifft es nicht ganz«, gab Violet ehrlich zu. »Ich bin neidisch auf ihn. Neidisch darauf, dass er von der Society anerkannt ist und ich nicht. Neidisch darauf, dass er ein Mann ist und der Star der Society …«
Violet schwieg verwirrt, als sie Blacks Hand auf ihrem Arm spürte. Zunächst glaubte sie, er wollte sie vor etwas warnen, doch dann sah sie, dass sein Blick so liebevoll auf ihr ruhte, wie sie das noch nie zuvor gesehen hatte.
»Sie brauchen die Pfeifen von der Academy nicht. Mit ein wenig Hartnäckigkeit – die Sie zweifelsohne besitzen – werden Sie bald berühmter als dieser Stromburgh sein. Dessen Stern ist bereits im Sinken begriffen, er bildet sich nur noch ein, der Star zu sein, nichts weiter. Viele geniale Erfinder haben den
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