Bomann, Corinna - Clockwork Spiders
auffallen?, fragte sich Violet verdutzt. »Aber Sie haben doch die Leute in Empfang genommen. Wenn Ihnen nicht entgangen ist, dass ich mit dem Sohn von Lord Stanton gesprochen habe, müssten Sie ihn wenigstens einmal gesehen haben. Und wenn Sie ihn einmal gesehen haben, müssen Sie sich an ihn erinnern.«
»Sie vergessen, dass ich es als meine Aufgabe ansehe, auf Sie zu achten, Lady Violet.« Alfred schob stolz die Brust vor.
»Aber doch nicht bei mir zu Hause!« Irgendwie hatte Violet das Gefühl, dass Alfred sie verschaukeln wollte.
»Immer«, gab der Butler zurück. »Sie haben doch sicher nicht den Mann vergessen, der vor dem Laboratorium herumgelungert ist.«
»Natürlich nicht, aber Sie selbst haben doch gesagt, dass er uns nicht gefolgt ist.«
»Dennoch kann es ihm gelungen sein, Ihren Namen herauszufinden. Immerhin haben Sie das Laboratorium offiziell gemietet.«
Violet wollte das erneut als Unsinn abtun, doch dann fiel ihr ein, dass der Unbekannte vielleicht eines von Lady Sharpes Augen war. Immerhin hatte sie so eine seltsame Bemerkung im Zusammenhang mit Geheimnissen gemacht. Stand ihre Familie vielleicht unter Beobachtung? Das würde die Anwesenheit der Spy Mistress auf dem Ball erklären.
Doch an dieser Stelle fiel Violet ein, dass ein guter Ermittler sich zunächst an das Offensichtliche halten sollte. Wenn es sich bei dem Beobachter wirklich um einen von Lady Sharpes Männern handelte, ging von ihm keine Bedrohung aus.
»Sie sollten wirklich noch einmal auf die Gästeliste schauen, Alfred«, beharrte Violet.
»Um Ihren Augenklappenmann zu finden? Ich glaube kaum, dass körperliche Merkmale hinter den Namen stehen.«
»Alfred, nun seien Sie ehrlich, kennen Sie wirklich niemanden mit Augenklappe in London?«
»Oh, ich kenne viele Augenklappenträger, doch diese tragen für gewöhnlich keine Uniform. Aber ich werde Nachforschungen anstellen.«
Sie sollten sich eine Brille zulegen, dachte Violet ärgerlich. Es konnte doch nicht sein, dass ein so ungewöhnlicher Gast dem Butler nicht auffiel!
Ich sollte Papa fragen. Immerhin hat er einen Großteil der Gäste persönlich in Empfang genommen.
»Vermuten Sie den Mörder auf der offiziellen Gästeliste?«, fragte Alfred versöhnlich, als Violet eine Weile verstimmt neben ihm hergeschritten war.
»Möglich wäre es doch, oder?«, entgegnete sie.
Aber Alfred schien nicht viel von ihrer Vermutung zu halten. »Aus meiner Erfahrung weiß ich, dass manche Gifte verzögert wirken. Es wäre durchaus möglich, dass Lord Stanton das Gift bereits in seinem Haus verabreicht bekommen hat.«
»In Ordnung, auch diesem Hinweis sollten wir nachgehen.« Wieder schritten sie eine Weile schweigend nebeneinander her, bis sich Alfred erneut zu Wort meldete. »Wenn Sie wollen, finde ich heraus, wer der Mann mit der Augenklappe war. Die Gästeliste liegt zwar immer noch bei Lady Sharpe, aber es gibt andere Mittel und Wege. Falls er sich wirklich eingeschlichen hat, muss er ein ziemlich raffinierter Bursche sein.«
Auf einmal stach Violet ein Detail ins Auge, dem sie beim ersten Hinsehen keine Beachtung geschenkt hatte. »Sagen Sie mal, welcher militärische Rang hat vier Sterne, Alfred?«
»Ich nehme an, ein General.«
»Nun, dann sollten Sie auf der Gästeliste nach einem solchen Ausschau halten, am besten gleich nach unserer Rückkehr.«
»Sehr wohl, Mylady, aber wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, warum verdächtigen Sie gerade diesen Mann? Ein General der Infanterie wird wohl kaum an einem Ball teilnehmen, um einen der Gäste mit Gift niederzustrecken. Dafür gibt es doch Duelle.«
»Ich habe nicht behauptet, dass ich ihn für den Täter halte. Mein Interesse ist eher privater Natur.«
Alfred grinste wissend. »Privater Natur, so, so. Darf ich Sie daran erinnern, dass Ihr Vater einen einäugigen Soldaten nicht gerade als eine gute Partie für Sie ansehen würde?«
Violet spürte, wie sie rot wurde. »Was Sie da reden, Alfred, ist Unsinn. Ich interessiere mich nicht für ihn, weil er mein Bräutigam werden soll.«
»Dann vermuten Sie in ihm doch den Täter?«
Der Einfachheit halber nickte Violet.
»Nun, dann stellt sich die Frage, warum Gift, wenn er auch eine gute alte Pistolenkugel zur Verfügung hatte.«
»Weil er diskret sein wollte vielleicht?«
»Diskretion bei Armeeangehörigen? Ich möchte nicht impertinent erscheinen, aber das Leben im Feld verroht sie, die ständige Todesnähe führt dazu, dass sie sich in Friedenszeiten recht poltrig
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