Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bomann, Corinna - Clockwork Spiders

Bomann, Corinna - Clockwork Spiders

Titel: Bomann, Corinna - Clockwork Spiders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corinna Bomann
Vom Netzwerk:
schaute in die Ohren und sperrte dann mit einem Spatel den Mund auseinander. Obwohl die Leichenstarre mittlerweile schon nachgelassen hatte, ließ sich der Kiefer nur schwer bewegen.
    Nachdem Alfred ihr einen Moment lang konsterniert zugesehen hatte, sagte er: »Wenn ich das anmerken darf, Mylady, das ist wirklich keine Arbeit, die eine Frau verrichten sollte.«
    »Ach ja?«, entgegnete Violet, den Blick nicht von dem Toten hebend. »Wollen Sie es lieber machen, Alfred?«
    »Wenn Sie das wünschen?«
    »Nein, ich wünsche das nicht, Alfred. Der Ermittler muss die Gegebenheiten selbst in Augenschein nehmen, um richtig kombinieren zu können.«
    Plötzlich stockte sie.
    »Was ist denn das?«
    Violet schob den Spatel ein wenig tiefer in den Mund und sperrte ihn auf. In dem Augenblick kam eine kleine Spinne aus Lord Stantons Mund gekrabbelt.
    »Alfred!«, rief Violet, denn natürlich wusste sie von ihrer Lektüre, dass Dr. Bell auch Krabbeltiere für bedeutsam bei den Ermittlungen hielt.
    »Was kann ich für Sie tun, Mylady?«, erkundigte sich der Butler.
    »Ich brauche ein Gefäß. Hier ist was aus Seiner Lordschaft herausgekrabbelt.«
    Nur Sekunden später drückte Alfred ihr ein Reagenzglas in die Hand. Keinen Augenblick zu früh, denn die Spinne war schon unterwegs zu Lord Stantons Hals.
    Blitzschnell stülpte Violet das Glas darauf. Die Spinne stoppte an den Wänden ihres Gefängnisses, nur um sie wenige Augenblicke später zu erklimmen.
    »Ein Stück Papier, Alfred. Schnell!«
    Da er kein Papier fand, griff der Butler rasch nach einer Karteikarte, die auf einem der Instrumententische lag. Es war die Kartei eines der toten Rattenfänger, wie Violet sah, als sie das Glas damit abdeckte und herumdrehte. Die Spinne lauerte nun auf dem Boden. Eine leichte Giftspur zog sich über das Glas.
    »Na, sieh mal einer an«, sagte Violet fasziniert. »Was für ein giftiges kleines Geschöpf. Woher magst du wohl kommen?«
    »Wahrscheinlich aus dem Gemäuer«, entgegnete Alfred trocken. »Ihnen sind doch sicher die Spinnennetze an der Treppe aufgefallen.«
    »Gewiss, aber ich glaube nicht, dass dies eine gemeine englische Hausspinne ist.«
    Violet hielt das Behältnis näher an ihr Gesicht. Die Spinne klebte regelrecht am Glas und bewegte rastlos ihre Beißwerkzeuge, als habe sie vor, sich durch das Glas zu kauen. Ein Schauder lief über Violets Rücken.
    Spinnen waren noch nie ihre Lieblinge gewesen, als Kind hatte sie immer laut geschrien, wenn sie eine in ihrem Zimmer entdeckt hatte. Später war sie dazu übergegangen, sie mit einem Magazin oder einem Lineal zu erledigen, sobald sie sich ihr näherten.
    Doch diese Spinne war vielleicht ein wichtiges Indiz und musste so lange wie möglich am Leben gehalten werden.
    Als der Gehilfe des Coroners zurückkehrte, verbarg sie das Glas rasch hinter dem Rücken und gab Alfred einen Wink, es ihr abzunehmen.
    »Ich fürchte, ich muss Sie jetzt wegschicken. Eben kam ein Bote, der eine neue Lieferung angekündigt hat. Ich muss alles vorbereiten.«
    War das nur ein Vorwand? Violet hatte die Glocke nicht läuten hören. Aber auch so war ihre Untersuchung bereits ergiebig gewesen.
    »In Ordnung, Sir, wir gehen. Vielen Dank für Ihre Hilfe.«
    Violet steckte dem Mann ein paar Münzen zu, dann verließ sie von Alfred gefolgt den Kühlraum.
    Draußen vor der Tür reichte Alfred ihr das Glas, über dem er die Karteikarte wie einen Deckel zusammengedrückt hatte. Ihr Fehlen würde dem Gehilfen sicher erst auffallen, wenn der Coroner sich danach erkundigte.
    Die Spinne saß noch immer auf dem Boden des Gefäßes. Weitere Giftspuren hatte sie nicht hinterlassen, doch sie wirkte nach wie vor wachsam.
    »Ihre Frau Mutter wird nicht begeistert über dieses Haustier sein.«
    »Ich glaube kaum, dass sie es überhaupt zu Gesicht bekommen wird, denn wir gehen nicht nach Hause, sondern ins Labor!«
    »Was wollen Sie denn da, Mylady?«
    »Die Spinne sicher unterbringen. Außerdem habe ich dort auch einige Naturkundebücher, vielleicht kann ich herausfinden, um welche Art es sich handelt.«
    Die Aussicht, jetzt auch noch zum anderen Ende der Stadt zu fahren, behagte Alfred ganz offensichtlich nicht, doch Violet steckte voller Tatendrang.
    »Beeilen wir uns, Alfred, die Nacht ist kurz.« Wie zur Bestätigung ihrer Worte schlug in der Ferne eine Glocke ein Uhr.
    Eine halbe Stunde später spie die Seitenbahn sie als einzige Fahrgäste an der Station Bankside aus. In der Zeit zwischen Mitternacht und Morgen wirkte

Weitere Kostenlose Bücher