Bomann, Corinna - Clockwork Spiders
blasierten Platzanweiser verhandelte, betrachtete sie die Gäste. Sie gehörten ausnahmslos der höheren Schicht Londons an. Damen zweifelhafter Herkunft würden hier wohl nur in entsprechender Begleitung reinkommen.
»Mylady, der Kellner sagt Mr Campbell, dem Geschäftsführer, Bescheid. Ich nehme an, dass er uns empfangen wird.«
»Haben Sie ihm den Zehner zugesteckt?«
»Natürlich, und er hat ihn mit Freuden angenommen. Deshalb ist er ja so motiviert, Ihren Wünschen nachzukommen.«
»Bestens!«
Tatsächlich dauerte es nur wenige Minuten, bis sich der Geschäftsführer des Lokals blicken ließ.
»Lady Adair, was für eine Freude, Sie hier begrüßen zu dürfen.« Der Mann riss die Arme hoch, als begrüßte er einen alten Freund. »Wollen Sie bei uns speisen?«
»Nein, ich möchte mit Ihnen reden, Mr Campbell. Über Lord Broockston.«
Schlagartig erbleichte der Mann und blickte beinahe Hilfe suchend zu seinem Kellner. »Warum denn das? Ich meine, er ist doch nicht verwandt mit Ihnen, oder?«
»Nein, natürlich nicht. Aber vielleicht können Sie mir mit dem, was Sie beobachtet haben, weiterhelfen. Wie Sie vielleicht schon gehört haben, ist vor einigen Tagen Lord Stanton auf ganz ähnliche Weise umgekommen. Ich möchte Sie nun fragen, ob Ihnen an dem Abend etwas Verdächtiges aufgefallen ist. Vielleicht Personen, die sich hier sonst nicht blicken lassen.«
Der Geschäftsführer schüttelte den Kopf. Noch immer war er kreidebleich, seine Lippen zitterten.
»Was ich weiß, habe ich schon der Polizei erzählt, Lady Adair.«
»Dann sollte es Ihnen doch nicht schwerfallen, es mir noch einmal zu erzählen.«
Als der Mann sie immer noch zweifelnd ansah, trat Violet näher an ihn heran. »Mr Campbell, ich kann verstehen, dass Ihnen die Sache äußerst unangenehm ist. Das ist sie auch für meine Familie. Ich bin sicher, dass mein Vater, Lord Reginald, Ihr Etablissement wärmstens empfehlen wird, wenn sie ihm weiterhelfen.«
»Dann kommen Sie im Namen Ihres Vaters?«
»Das kann man so sagen. Und nun erzählen Sie mir bitte alles, was Sie der Polizei gesagt haben. Und auch alles, was Sie ihr nicht gesagt haben.«
Mr Campbell sah sich unsicher um. »Also gut, Lady Adair, folgen Sie mir in mein Büro. Sie werden verstehen, dass ich solche Dinge nicht hier besprechen möchte.«
»Solange mein Butler mich begleiten darf, bin ich damit einverstanden.«
Campbell führte sie durch deinen dunklen Gang, vorbei an der Küche, wo es in Pfannen und Töpfen brutzelte und eine Küchenmaschine langsam vor sich hin stampfte.
Das Büro des Geschäftsführers wirkte ein wenig chaotisch. Auf dem Boden standen Weinkisten, Papiere lagen über die Tischplatte verstreut. Offenbar hatte er gerade eine Warenlieferung angenommen. Oder überprüfte er seinen Wein auf Gift? Vielleicht glaubte er ja noch, dass Broockston wie Lord Stanton vergiftet wurde …
»Verzeihen Sie die Unordnung, in letzter Zeit geht es hier etwas hektisch zu.« Rasch räumte Stanton einen Stuhl frei und schob ihn vor den Schreibtisch.
Violet nahm Platz, während sich Alfred vor der Tür aufbaute, als wollte er dafür sorgen, dass der Geschäftsführer nicht floh. Campbell warf ihm einen misstrauischen Blick zu, während er sich hinter dem Schreibtisch niederließ.
»Lord Broockston kam ganz normal in unser Lokal, in Begleitung einer jungen Frau, die ich hier noch nie gesehen hatte. Angesichts ihrer Aufmachung war leicht zu erkennen, dass sie … nun ja, nicht gerade der feinen Gesellschaft angehörte.«
»War sie ein Freudenmädchen?«, fragte Alfred, woraufhin der Geschäftsführer zusammenzuckte.
»Nein, eher eine … Begleitdame. Eine echte aus Fleisch und Blut, keine von den Maschinenfrauen.«
»Wie sah sie aus?«, fragte Violet, während sie ihr Indizienbuch und einen Bleistift aus ihrer Tasche hervorkramte. Zwar war ihr Gedächtnis hervorragend, aber für ihre Indiziensammlung würde eine Notiz viel besser sein.
»Sie hatte rotes Haar und trug ein grünes Kleid. Eines, das eine Frau von Welt keinesfalls tragen würde. Eigentlich war nichts Auffälliges an ihr, wenngleich man deutlich sah, was sie war.«
Daran, dass Menschen sich manchmal auch verkleideten, schien er nicht zu denken.
»Was war mit den anderen Gästen? Hat jemand mit Broockston gesprochen? Und Ihre Kellner? Wer hat Broockston bedient?«
Campbell schnappte nach Luft wie ein Karpfen an Land. »Lady Adair, ich …«
»Sagen Sie bloß, die Polizei hat Ihnen diese Fragen nicht
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