Bone 01 - Die Kuppel
Aber letzte Nacht. Ich habe mir große Sorgen um dich gemacht. Du hast alle möglichen verrückten Sachen gemurmelt.«
»Wovon redest du, Indrani?«
Bei ihrer Rückkehr war er völlig erschöpft gewesen, daran erinnerte er sich noch. Er hatte Indrani geweckt, und gemeinsam hatten sich die beiden mit süßem Fleisch vollgestopft, während Steingesicht neben ihnen tief und fest geschlafen hatte. Er hatte versucht, ihr zu berichten, was geschehen war, während sie seine Wunde genäht hatte, aber ihm war schwindlig gewesen, und sie hatte ihn dazu gebracht, dass er sich hinlegte.
»Ach, du hast gesagt, du hättest Menschen gesehen«, antwortete sie. »Was unmöglich ist. Ich sollte es schließlich wissen. Höchstens, wenn wir im Kreis gelaufen wären!«
Er fühlte sich immer noch etwas angeschlagen und fragte sich, ob er die Ereignisse wirklich nur geträumt hatte oder ob die Vorfahren ihm eine Vision geschickt hatten. Indrani biss in das letzte Stück Skelettfleisch und lächelte auf entzückende Weise. »Auf jeden Fall ist das hier ziemlich real!«
Sein Gesicht rötete sich. »Es ist gut, nicht wahr?«
Abgesehen von einer Portion, die sie für Steingesicht aufgehoben hatten, waren jetzt nur noch ein paar Häppchen Nahrung übrig, und Stolperzunge tat es leid um all das gute Fleisch, das sie unterwegs zurückgelassen hatten. »Wenn du mir nicht glaubst, dass es Menschen waren«, sagte er, »müssen wir weiterziehen und sie besuchen. Ich weiß, dass es kein Traum war. Ich weiß es. Vergiss nicht, dass ich schon einmal im Fieber lag.«
»Das vergesse ich ganz bestimmt nicht«, sagte sie schwermütig. »Damals warst du wie ein Kind! Ein Unschuldiger unter Wilden. Das erste Fleisch, das ich willentlich über meine Lippen gelassen habe, war die Nahrung, die ich dir vorgekaut habe.«
Stolperzunge lachte. »Ach, hör auf! Was hast du gegessen, bevor du zu uns gekommen bist? Luft? Dachlicht?«
»Nur Wilde essen Fleisch«, sagte sie. »Zivilisierte Wesen essen andere Dinge, die aus Pflanzen gemacht sind.«
»Man kann nicht von Moos und Bäumen leben! Sie machen krank!«
»Ich habe auch nicht gesagt, dass wir von Moos und Bäumen leben«, erwiderte sie verzweifelt. »Es gibt noch viele andere Pflanzen. Reis, Obst, Gemüse . Ein Wesen zu töten und sein Fleisch zu essen, ist das Schlimmste und Schrecklichste, was ein Wesen tun kann! Es ist obszön!«
Stolperzunge bot ihr den letzten Happen vom Skelettfleisch an. Sie riss es ihm aus der Hand.
»Ich weiß«, sagte sie und stopfte es sich in den Mund. »Ich weiß!«
Dann legten sie sich schweigend hin, um ihre Mahlzeit zu verdauen. Von dieser Stelle aus konnten sie einen Teil der großen Entfernung überblicken, die sie zurückgelegt hatten. Die Luft flimmerte in der Morgenwärme, und ein leichter Nebel, der sich schon bald verflüchtigen würde, hing über dem Feuchtpfad. Winzige graue Punkte, vermutlich Gebäude, säumten den Horizont. Stolperzunge stellte sich vor, wie sie im von Wühlern aufgewühlten Boden versanken, und erschauderte.
Es ging ihm gar nicht gut. Sein Kopf drehte sich, und er fragte sich erneut, ob er die Menschen wirklich gesehen hatte oder ob er durch seine schweren Verletzungen in einen Fieberwahn gefallen war. Doch etwas an der Art, wie Indrani dahockte, wie ihr Blick umherschweifte, deutete daraufhin, dass sie sich ihrer Behauptungen vielleicht doch nicht ganz sicher war. Sie wirkte wie eine Frau, die hartnäckig beteuerte, dass ihr Kind immer noch lebte, obwohl die Blutlache auf dem Fußboden nicht zu übersehen war.
»Du bist vom Dach gekommen«, sagte er schließlich. »Dann könnten andere Menschen doch das Gleiche getan haben, oder? Auf jeden Fall sahen sie dir ähnlicher als mir.«
»Vom Dach kommen keine Menschen hier herunter«, sagte sie. »Ja, natürlich gibt es alle paar tausend Tage oder so einen Idioten, der sich heiliger fühlt, wenn er von Bestien gegessen wird… aber ganze Gruppen? Niemals.«
»Trotzdem …«
»Selbst wenn eine Gruppe herunterkommen würde, eine große Gruppe… Die Welt ist riesig, Stolperzunge. Unvorstellbar groß. Wie klein ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie uns über den Weg laufen? Es ist unmöglich.«
»Es ist nicht unmöglich«, sagte er. »Sie könnten absichtlich unseren Weg gekreuzt haben. Wie … wie ein Hinterhalt oder etwas in der Art.«
Diese Vorstellung schien sie völlig aus dem Gleichgewicht zu bringen. Sie starrte ihn mindestens zehn Herzschläge lang an, bevor ihr Gesicht den Ausdruck
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