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Bone 01 - Die Kuppel

Titel: Bone 01 - Die Kuppel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peadar O'Guilín
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Jäger vor zwei Tagen bedroht worden waren, geschwungen von gleichermaßen armseligen Kämpfern.
    Sie schlichen auf Zehenspitzen durch den Wald, bis sie die ersten, unbewachten Mauern erreichten. Hier hatte jemand vor langer Zeit eine Straßensperre errichtet, die aber seit Generationen nicht mehr repariert worden war. Sie stiegen mühelos darüber hinweg; die Straße dahinter war leer.
    Alles an diesen Häusern wirkte alt . Erheblich älter als jene, in denen Stolperzunge aufgewachsen war. Viele trugen einen Lendenschurz aus ihren eigenen Trümmern, und Moos überzog alle Wände bis zum zweiten oder dritten Stock. Hier wuchs es üppig, ballte sich über Rissen und bildete kleine Hügel über eingestürzten Dächern. Wenn sich zwei verschiedene Arten trafen, rotes auf violettes oder dunkelgrünes Moos, entstanden Farbwirbel. Offenbar versuchte jedes Moos, das andere zu überwuchern. Überall kreuzten sich schmale Straßen mit noch engeren Gassen, von denen die meisten unpassierbar waren, von Generationen sterbender Gebäude verschüttet. In einem Fall lehnten sich zwei Häuser über die Lücke hinweg gegeneinander und bildeten mit ihren Außenwänden eine Brücke.
    Die Gruppe bewegte sich von Tür zu Tür und achtete darauf, nicht in einen Hinterhalt zu tappen. Aber sie stießen auf keine einzige Falle. Schließlich hörten sie ein Kind weinen. Das Mädchen reichte Stolperzunge höchstens bis zur Hüfte; es hielt einen Moment lang inne, als es sie sah. Dann fing es wieder an zu heulen.
    »Psst!«, sagte Indrani. »Sei still! Wo ist deine Mutter?«
    Getrocknetes Blut klebte auf der Stirn des Mädchens, obwohl es nicht verletzt zu sein schien. Allerdings war die ganze Straße mit roten Spritzern übersät. Als das Kind keine Antwort gab, nahm Indrani es an der Hand und zog es mit sich, während sie in Richtung Fluss gingen. Bald hörten sie weitere klagende Stimmen, offenbar von erwachsenen Frauen. Fast an jeder Ecke stießen sie auf menschliche Knochen oder Blutlachen. Selbst Steingesicht wachte aus seiner Benommenheit auf und fragte: »Wie konnte so etwas geschehen? Wie?«
    Die Straße führte auf einen großen Platz, wo sich Hunderte, vielleicht sogar Tausende von Menschen rund um ein Lagerfeuer gesammelt hatten. Sie drängten sich sogar auf den Dächern. Stolperzunge sah erstaunt die außergewöhnlichen und wunderschönen Farben, die diese Menschen am Körper trugen. Nicht einmal die Mooswesen im Wald der Wühler waren so bunt gewesen. Vor allem die Frauen schienen in schimmernden Häuten zu stecken, die sie von Hals bis Fuß verhüllten. Darunter musste es schrecklich warm sein, weil nur die Arme und Gesichter frei waren. Anfangs konnte Stolperzunge die einzelnen Personen nicht auseinanderhalten. Vielleicht wollte er es gar nicht, denn als seine Augen allmählich die ersten Unterschiede ausmachten, wurde sein Mitleid so groß, dass er am liebsten fortgerannt wäre. Eine Frau mit zweigdünnen Gliedmaßen kroch auf allen vieren herum, als würde sie nach ihren verlorenen Augen suchen. Ein ausgezehrter Junge betete laut zu Geistern, von denen Stolperzunge noch nie gehört hatte. Sein Gesicht hatte den Ausdruck eines Wahnsinnigen. In der Nähe klammerte sich ein Kleinkind vergeblich an die Beine eines Mannes, der den Blick nicht mehr senken konnte, wie es schien. Er konnte nur noch geradeaus starren, ohne zu blinzeln. Freiwillige, die für den Kochtopf bereit waren.
    Viele andere waren in ähnlicher Verfassung; sie weinten oder stritten sich um Kleinigkeiten, jammerten oder flehten. Alle wirkten verängstigt, was auch die bunteste Kleidung nicht verbergen konnte.
    Als die Neuankömmlinge eintrafen, erstarb der Lärm allmählich. Eine Frau in der Nähe von Stolperzunge flüsterte: »Das ist die Hexe! Es ist alles ihre Schuld!«
    »Du!« Der Kahlkopf, der Stolperzunge zwei Tage zuvor angegriffen hatte, drängte sich durch die Menge und trat auf die Leute, die ihm nicht schnell genug ausweichen konnten. Er schwitzte heftig und drohte ständig zu stolpern. In seinem Gesicht wuchs Haar, sodass es für Stolperzunge fast so aussah, als würde sein Kopf verkehrt herum auf dem Hals sitzen. Genauso wie viele andere Männer (aber keine der Frauen) war er bis zur Hüfte nackt. Er hatte so wenige Muskeln, dass seine Haut in schlaffen Falten herabhing, ohne eine einzige Tätowierung, die die Hässlichkeit gemindert hätte.
    »Er scheint lange nichts gegessen zu haben«, flüsterte Stolperzunge. »Genauso wie die meisten

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